Bildungsprojekt zur Stärkung der Stimmen iranischer Frauen: Interview mit Akbar Salimi

Stimmen von iranischen Frauen hören und stärken – Dorothee Schaper, Pfarrerin und Studienleiterin bei der Melanchthon-Akademie des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, hat Akbar Salimi vom Forum Zan Zendegi Azadi Köln interviewt:

Seit Januar dieses Jahres arbeiten Sie als Forum Zan Zendegi Azadi Köln mit der Iran Academia und der Melanchthon-Akademie an einem internationalen Bildungsprojekt der besonderen Art. Wie kam es dazu?

Akbar Salimi: Der Ausbruch der sozialen Bewegung bzw. der neuen Ära „Zan Zendegi Azadi“ (Frau Leben Freiheit) im Iran hat Millionen Iraner*innen u. a. einen großen Teil der iranischen Diaspora in eine neue Situation gebracht. Viele haben das Gefühl und den Eindruck, dass sie sich gar nicht für die neue Ära vorbereitet haben. Also sahen wir die Notwendigkeit zu analysieren, zu verstehen, zu organisieren usw.

Welche Themen bearbeiten Sie in Ihren Seminaren?

Akbar Salimi: Die Themen beziehen sich auf die verschiedenen Aspekte, Dimensionen und Subjekte in Bezug aus die Bewegung „Zan Zendegi Azadi“. Wir stellen Fragen, um die Situation zu verstehen und voranzubringen, wie z. B. : Was ist die Bewegung? Was ist die Identität der Bewegung? Was ist die Rolle der Frauen und warum ist das wichtig? Was sind die Werte? Z. B. gewaltloser Widerstand, Bedeutung der Basis, Methoden. Wie sieht es mit Leadership der Bewegung aus? Wie organisiert ist die Bewegung? Welche Möglichkeiten und Arten des Organisierens gibt es? Wofür steht die Bewegung? Gibt es eine Charta? Satzung? Was macht man mit der Vielfältigkeit der Gesellschaft im Iran? Wie gehen wir mit den historischen Problemen / Herausforderungen, die ethnischer Natur sind um? Was kann den Iran zusammenbinden, zusammenhalten? Wie schaffen wir ein Landübergreifendes Abkommen/Werte wie z. B. ein Grundgesetz oder ähnliches?

Welche Methode des Gespräches wenden Sie an?

Akbar Salimi: Unser Ziel ist eine Dialog-Plattform auf qualitativ hohem Niveau zu schaffen, deswegen benutzen wir die Methode des „Sokratischen Gesprächs“. Wir wollen keine Information-Vermittlungsveranstaltung, sondern einen wirklichen Dialog, sodass die Teilnehmer*innen zum Sprechen und zum Zuhören kommen und ihren eigenen Ausdruck der Lage finden.
Dabei ist es uns bei der Auswahl unserer Referent*innen wichtig, dass bei zwei Vorträgen mindestens einer der Vorträge von einer Frau gehalten wird, damit gewährleistet ist, dass die Stimmen der Frauen auf jeden Fall gehört werden.

Wen wollen sie erreichen? Richten sich ihre Seminare an eine spezielle Generation?

Akbar Salimi: Wir wollen sowohl die iranische Diaspora als auch die Iraner*innen, die jetzt im Iran leben, erreichen. Deswegen legen wir viel Wert darauf, alle unsere Programme mit sehr guter Qualität im Livestream und als Aufnahme im Anschluss an die Veranstaltung den Zuhörer*innen, besonders denen im Iran, durch verschiedene Plattformen zur Verfügung zu stellen. Unsere Zielgruppe sind alle diejenigen, die Bewegung „Zan Zendegi Azadi“ verstehen und voranbringen wollen, und zwar generationsübergreifend.

Welche Resonanz bekommen Sie auf ihre Veranstaltungen?

Akbar Salimi: Wir haben bis jetzt sehr gute Resonanzen, sowohl von den analogen Teilnehmer*innen als auch von denjenigen, die digital aus dem Iran zuhören bekommen. Besonders gut gefallen ihnen die dialogische Struktur und auch die Themenauswahl.

Kann sich durch diese Art von Seminaren eine konstruktive Streitkultur zwischen verschiedenen Positionen entwickeln, oder treffen sich in den Seminaren Gleichgesinnte, die einander bestärken? Beides hat ja seine Berechtigung.

Akbar Salimi: Sowohl als auch. Bisher war es so, dass verschiedene Meinungen zum Ausdruck gebracht wurden, auch wenn es Leute gibt, denen das nicht gefällt, die Situation im Iran ist hochkomplex und deshalb unsere Themen auch und dann gibt es natürlich verschiedene Meinungen und Einschätzungen. Das Ziel soll sein, die jeweils Anderen zu verstehen, anstatt sie um jedem Preis zu überreden oder zu überzeugen. Diese Fähigkeit brauchen wir unbedingt für die Zukunft und müssen sie unbedingt einüben.

Wie ordnen Sie den Diskurs im Exil in Bezug auf den Diskurs im Iran selber ein?

Akbar Salimi: Wir sind direkt mit unseren Gesprächspartner*innen im Iran verbunden. Auch durch Social Media und durch verschiedene Plattformen und so erfahren wir welche Themen aktuell für die Bewegung im Iran wichtig sind. Es kommt uns darauf an, vor allem die Fragen und Themen aus dem Iran zu hören und zu bearbeiten.

Wo würden Sie gerne nach einem Jahr dieser Seminare stehen?

Akbar Salimi: In einem Jahr würden wir gerne unsere Themen- und Frageliste und weitere Fragen, die sich durch die schnelle und ständige Änderung der Situation im Iran ergeben, durchgearbeitet haben und damit einen Beitrag für eine gemeinsame demokratische Streitkultur für den Iran und die Menschen in der Diaspora geleistet haben.

Was ermutigt Sie am meisten in diese Richtung weiterzuarbeiten?

Akbar Salimi: Dass sich Tausende von Menschen im Iran an der Veranstaltung beteiligen und ihr folgen. Entweder online direkt oder im Anschluss. Zan Zandegi Azadi – Frau Leben Freiheit!

Mai 2023 

Termine zum Vormerken:

Einmal im Monat findet eine Diskussion auf Farsi in der Melanchthon-Akademie statt, die neben den analogen Besucher:innen in Köln digital viel hundert Hörer*innen im Iran erreicht. Zu deutschsprachigen Angeboten in diesem Kontext lädt die Melanchthon-Akademie in Kooperation mit dem deutsch iranischen Kulturverein DIWAN ein:

19. Oktober, 19.30 Uhr: „Ansichten eines Blindgängers“: Eskandar Abadi ist ein blinder Musiker und Journalist aus dem Iran. Am Donnerstag, 14. September, 19.30 Uhr bis 21 Uhr, stellt er sich in der Kartäuserkirche, Kartäusergasse 7, literarisch und musikalisch mit Buch und Geige vor. Eskandar Abadi erzählt in seinem autobiografischen Roman von einem blinden Jugendlichen im Iran am Ende der Schah-Zeit, der es liebt Geige zu spielen, der sich politisch engagiert und sich an der Vorbereitung einer Revolution beteiligt. Der Eintritt ist frei.

10. Dezember, 18 Uhr: Am Tag der Menschenrechte und zum Abschluss der Orange Days am Sonntag, 10. Dezember, 18 Uhr bis 20.15 Uhr, soll das Augenmerk ein weiteres Mal auf die Situation von Frauen im Iran, in Afghanistan und in der Diaspora gelenkt werden. In der Kartäuserkirche, Kartäusergasse 7, werden Texte, Musik und Briefe für die Verbundenheit von Frauen und Männern diesseits und jenseits von Gefängnismauern und Menschen mit und ohne Einwanderungshintergründen sorgen. Die Veranstaltung findet in Kooperation von Melanchthon Akademie, der Frauenbeauftragten des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, dem Diwan e.V. und der Kartäuserkirche statt. Der Eintritt ist frei.

Text: Dorothee Schaper/APK
Foto(s): APK

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