Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Günter Leitner eröffnen drei Stationen der VIA REFORMATA
Günter Leitner warnte vor Missverständnissen. „Mit den ,Kölner Wirren‘ ist nicht das gemeint, was wir gerade im Erzbistum erleben“, erklärte der Stadtführer im Schatten des Reiterstandbildes von zu Ehren des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Bei den „Kölner Wirren“ handelt es sich um den Streit über konfessionsverschiedene Ehen zwischen Katholiken und Protestanten. In dem Streit, der 1837 in die Regierungszeit von Friedrich Wilhelm III. fiel, ging es im Wesentlichen um die Kindererziehung in sogenannten Mischehen. Friedrich Wilhelm III. hatte bestimmt, das die Kinder nach der Konfession des Vaters erzogen werden sollten. Dem widersetzte sich der Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering vehement, da sich in jener Zeit Ehen zwischen Rheinländerinnen und preußischen Verwaltungsbeamten und Militärs häuften. Man fürchtete die Protestantisierung des Erzbistums. Droste zu Vischering wurde von den Preußen verhaftet und in Minden festgesetzt. Er wurde 1893 entlassen, blieb danach jedoch im „Exil“. Das Domkapitel stellte sich nicht hinter Droste zu Vischering und machte ihm seine kompromisslosen Verhandlungen mit den Preußen zum Vorwurf. Für Friedrich Wilhelm IV. spielte der Streit um die christliche Kindeserziehung keine Rolle. Er verzichtete in diesem Bereich auf den staatlichen Einfluss.
Die bewegte Geschichte der Protestanten darstellen
Günter Leitner führte gemeinsam mit Stadtsuperintendent Bernhard Seiger einen Osterspaziergang durch die Kölner Innenstadt an. Zusammen mit 80 Teilnehmenden eröffneten sie drei Stationen der VIA REFORMATA. Zunächst am Reiterstandbild auf dem Heumarkt, dann vor der Trinitatiskirche und schließlich an der Elendskirche in der Südstadt. „Wir möchten mit der VIA REFORMATA die bewegte Geschichte der Protestanten darstellen: Von der Verfolgung über das Leben im Untergrund bis hin zur Glaubensfreiheit in der Franzosenzeit. In der Preußenzeit – dazu hier heute die Stationen Heumarkt und Trinitatiskirche – über die Zeit des Nationalsozialismus und die politische Theologie der Sechziger Jahre bis heute“, sagte Seiger zur Begrüßung. Die Preußen und die kölschen Katholiken hätten es sich gegenseitig häufig nicht leicht gemacht. Auf beiden Seiten habe es „Irrungen und Wirrungen“ gegeben. Aber die VIA REFORMATA sei auch ein Beitrag zur Ökumene in der Stadt. „Die katholischen Geschwister haben alle Texte in dem Flyer gegengelesen“, sagte der Stadtsuperintendent. Seiger begrüßte Lea Heimsoeth, Daniela Held, Philipp Eick-Kerssenbrock und Jakob Valder, die als Hornquartett den Spaziergang musikalisch begleiteten. Und er bedankte sich für die Unterstützung des Projektes VIA REFORMATA durch Politik und Verwaltung. „Mit dem heutigen Tag sind acht der zwölf Stationen fertiggestellt.“
Acht der zwölf Stationen fertiggestellt
Vor der Trinitatiskirche wünschte sich Leitner eine Freifläche, die in den Straßenraum integriert werden soll. Mindestens verschwinden sollen die parkenden Autos vor der Kirche. Gegenüber steht das älteste erhaltene Haus der Stadt, das Overstolzenhaus aus dem 13. Jahrhundert. Erbaut hat die Kirche Friedrich August Stüler in der Zeit von 1854 bis 1860. Sie war die erste nur für protestantische Gottesdienste erbaute Kirche in Köln. Die Antoniterkirche war zu klein geworden für mittlerweile 10.000 Protestanten in der Stadt. „Friedrich Wilhelm IV. sah sich als oberster Kirchenherr von Gottes Gnaden. Damit ist die Trinitatiskirche weniger Kathedrale mit der ,Kathedra‘ als Ausdruck bischöflicher Lehrbefugnis als „Domus Episcopi‘, Haus des Bischofs, für die „Summus episcopus‘, den preußischen König als obersten Bischof“, warf Leitner einen Blick zurück in die preußische Geschichte, die ideengeschichtlich geprägt war von der „Einheit von Thron und Altar“. Die Spaziergängerinnen und –gänger erlebten eine Weltpremiere. Wolf-Rüdiger Spieler hatte einige Stücke von Max Bruch für die Orgel umgeschrieben und führte sie an dem neuen Spieltisch in der Trinitatiskirche auf.
„Die Reformation ist nie zu Ende“
Weiter ging es zur Elendskirche St. Gregorius An St. Katharinen. „Dort wurden die Elenden und Rechtlosen bestattet. Das waren Opfer von Hinrichtungen und Menschen, die in Köln starben ohne Gemeindezugehörigkeit, weil sie auf Reisen waren. Und Protestanten, die bis zur Franzosenzeit in Köln ja auch rechtlos waren“, sagte Leitner. Der Geusenfriedhof in Lindenthal wurde erstmals 1584 belegt.
„Die Reformation ist nie zu Ende“, begann Seiger sein Schlusswort. „Jeden Tag, an dem wir leben, schreiben wir die Geschichte weiter.“ Die VIA REFORMATA könne an vielen Stellen in Köln fortgesetzt werden. Gerade wurde ein Rundgang entwickelt, der den Einfluss der Frauen auf die protestantische Geschichte in den Mittelpunkt rückt. Und auch im Rechtsrheinischen gebe es viele Orte, die Stationen der VIA REFORMATA sein könnten. „Wir stricken diesen Gedanken weiter“, schloss der Stadtsuperintendent.
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Sammy Wintersohl
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