„Sobald der Ort einen bindet, muss man ihn abstoßen“ – Präses Thorsten Latzel machte bei der „Sommertour der Hoffnung“ Station bei den beymeistern in Mülheim
Der Weg vom evangelischen Friedhof in Mülheim bis hin zu den „beymeistern“ auf der anderen Seite des Clevischen Rings war garantiert eine der kürzesten Etappen bei der „Sommertour der Hoffnung“, zu der Thorsten Latzel aufgebrochen war. Auf der Sommertour besuchte der frisch ins Amt gewählte Präses Gemeinden, Projekte und Orte, die Hoffnung machen. Insbesondere in der Zeit nach Corona. Die Etappe am 11. Juli ließ ihn gleich an mehreren Orten zum Thema „Hoffnung“ in Köln Halt machen.
Ein Rätsel
Und welches Projekt, wenn nicht das der beymeister wäre beim Thema Hoffnung einen Besuch wert. Denn dort hofft man nicht nur auf eine Zukunft der Kirche, man weiß sogar schon ziemlich genau, wo man sie findet. Wo man allerdings die beymeister findet, war an diesem strahlend schönen Sonntagmittag zunächst einmal unklar. Jedenfalls standen der Präses und seine Entourage für kurze Zeit einigermaßen ratlos vor dem ehemaligen Ladenlokal, das die beymeister gemietet haben. Das Lokal war abgeschlossen, der Schriftzug „Er ist nicht hier“ auf braunem Packpapier von innen ans Schaufenster geklebt, gab Rätsel auf. Für Aufklärung sorgte ein QR-Code auf dem Plakat. Hinter dem Code verbarg sich ein Ortshinweis.
beymeister – „Mit Menschen arbeiten, die mit Kirche eigentlich nichts am Hut haben“
Zum Rheinufer sollte man sich wenden. Dort warteten auf der Ufermauer sitzend die Gemeindepädagogin Miriam Hoffmann und Janneke Botta, Pfarrerin im Probedienst, die sich derzeit um das beymeister-Projekt kümmern. „Früher waren die beymeister die verschiedenen Meister einer Zunft, die sich beratend und auf Augenhöhe zur Seite standen. Sie regelten ihren Zunftalltag miteinander“, heißt es erklärend auf der Internetseite.
Und weiter: „In Köln sind die beymeister eine Initiative der Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim am Rhein. Wir wollen einen Ort bieten, an dem sich der Stadtteil enger vernetzt, an dem sich Menschen einbringen und eine Gemeinschaft so gestalten, dass sie sich wohlfühlen. Wir bieten keine Lösungen für das Leben, aber wir wollen gemeinsam mit den Menschen suchen. Dabei sind wir Kirche.“ Allerdings nicht Kirche, wie man sie kenne. Hier handele es sich um Kirche, die sich von den beymeistern formen und prägen lasse, Kirche, die sich aufmache zu den Menschen, um durch die Menschen neu Gestalt zu gewinnen und als Kirche Relevantes für die Menschen zu tun. „Wir arbeiten mit Menschen, die mit Kirche eigentlich nichts am Hut haben“, beschrieb Miriam Hoffmann die Zielgruppe.
Der Rhein und ein rotes Sofa
Der Rhein spielte von Anfang an eine wichtige Rolle in der Gemeindearbeit. Zu Beginn haben die beymeister ein rotes Sofa an das Ufer getragen und sind angesichts der ungewöhnlichen Kulisse schnell mit Menschen ins Gespräch gekommen. Mittlerweile sind zusammen kochen und essen als gemeinschaftsbildende Aktionen hinzugekommen.
Und so gab es denn auch für den Präses samt Anhang eine stärkende Mahlzeit aus dem Weckglas im Stehen am Rheinufer. „Es ist urchristlich, miteinander essen zu können“, verwies Latzel auf den theologischen Aspekt der Mahlzeit. In dem Ladenlokal, in dem die beymeister kochen, geschehe oft Unerwartetes: „Wir kochen und essen wie die Menschen in anderen Kontexten auch, und plötzlich entstehen Diskussionen über den Glauben. Da wird dann zum Beispiel nachgefragt, warum wir immer zu einem Herrn beten. Wir müssen mit den Menschen eine andere Sprache des Evangeliums finden“, sagte Miriam Hoffmann. Auch mit Kirchenfernen könne man erläutern, wann und wo Gott sie getragen habe. Zustimmung erntete Hoffmann vom Präses, als sie erklärte, dass der Kirche die Erfahrung fehle, zu Gast zu sein. Sie lade immer nur ein. Diese Strukturen hätten in Corona-Zeiten nichts bewirkt. „Unser Kerngeschäft sollte sein, im öffentlichen Raum zu Gast und achtsamer im Umgang zu sein.“
Janneke Botta stellte ein anderes Projekt der beymeister vor, das im vergangenen Winter im Stadtteil für Furore sorgte. Man habe einige Musiker und einen St. Martin auf einem Pferd an einem dunklen Abend durch die Straßen ziehen lassen. „Es waren nur das Getrappel der Pferde und hin und wieder die bekannte Musik zu hören“, beschrieb Janneke Botta magische Momente nicht nur für die Kinder. Und während der Adventszeit wurden Plakate zum Beispiel mit dem Christkind aufgehängt. Über QR-Codes auf den Plakaten gelangte man zu Vorträgen der Weihnachtsgeschichte.
„Sobald ein Ort einen bindet, muss man ihn abstoßen.“
Später im Laden erinnerte der Präses daran, dass er bereits die Werbetrommel für die beymeister im Landeskirchenamt gedreht habe. „Wir müssen hingucken und uns sensibilisieren für das, was ist. Ich finde es toll, dass sie andere Presbyterien schulen“, lobte Latzel das Projekt. Bei den Engagierten spürt allerdings ein Stück weit Ungeduld. „Wir hatten anfangs viele Leute, die eine Gemeinde hatten, aber unzufrieden waren. Das sind aber nicht die Leute, die wir erreichen wollen.
Wir haben eineinhalb Jahre gebraucht, um ein Gottesdienstformat zu finden, das zu uns passt“, erklärte Miriam Hoffmann. Es gehe ja nicht darum, von anderen Gemeinden die jungen und hippen Christen und Christinnen abzuziehen. „Wir waren zwei Jahre ohne Ort. Dann hatten wir das Ladenlokal. Sobald der Ort einen bindet, muss man ihn abstoßen. Unser Traum ist, die Freiheit zu haben, wieder etwas Neues zu gründen.“
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/APK
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