Selbstbestimmt mit der Gabe des Lebens umgehen
Im Februar des vergangenen Jahres kippte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht den Sterbehilfe-Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches. Ende 2015 war das Verbot „geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid“ in Kraft gesetzt worden, schon vorher hatte es kontroverse Debatten gegeben, die danach nicht verstummten. Proteste kamen unter anderem von Ärzten, Vereine und schwerkranken Sterbewilligen. Am 26. Februar vergangenen Jahres erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass der Paragraf 217 verfassungswidrig sei.
Diskussionsabend
Im Oktober des vergangenen Jahres gab es vonseiten der Evangelischen Kirche im Rheinland den ersten Diskussionsabend zum Thema mit Alt-Präses Manfred Kock, nun wurde der Austausch in Form einer Zoom-Konferenz unter dem Titel „Selbstbestimmt mit der Gabe des Lebens umgehen?“ weitergeführt.
Eingeladen hatten dazu die Evangelische Akademie im Rheinland, die Melanchthon-Akademie Köln und das Evangelische Forum Bonn. Die Veranstaltung mit Professor Dr. Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, zeigte mit rund 100 Teilnehmern, dass das Thema die Menschen bewegt. Sie dokumentierte aber auch, wie groß die Zustimmung zur aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an der Basis ist und, dass die Diskussion darüber notwendig bleibt.
Suizidprävention
So sagte Professor Wolfgang Huber: „Es ist bedauerlich, dass die Entscheidung von 2015 für ungültig erklärt wurde, doch wir müssen das so akzeptieren.“ Während er dazu riet, sich Gedanken darüber zu machen, ob es richtig sei, Suizidassistenz zu einer Regelaufgabe von Ärzten zu machen, plädierte eine Teilnehmerin dafür, dass jeder Mensch einen Anspruch darauf hat, unterstützt und würdevoll aus dem Leben zu scheiden. Eine klare Haltung der Kirche, mit dem zentralen Punkt der „Bejahung des Lebens, das von Gott geschenkt wurde“, forderte der Theologe. Er betonte, eine Suizidprävention müsse verstärkt auch innerhalb der Kirche in den Fokus genommen werden, denn: „Ein Suizid ist oft der Ausdruck einer tiefen Verzweiflung, die vielleicht gelindert werden könnte. Die Suizidassistenz muss daher eine Ausnahme bleiben. Gott ist ein Freund des Lebens.“ Daher sei es eine Verpflichtung, die Entscheidung des Sterbewilligen zu hinterfragen, denn, so der Theologe, er befürchte, ein nächster Schritt könnte zur Legalisierung der Tötung auf Verlangen führen.
Selbstbestimmung ist Grundrecht
Natürlich sei die Selbstbestimmung des Menschen unwidersprochen ein elementares Grundrecht, das geachtet werden müsse, räumte Professor Wolfgang Huber ein und gab damit das Stichwort für einen Teilnehmer, der zu bedenken gab: „Der Schweizer Theologe Hans Küng sagt, Gott habe uns neben der Verantwortung für das Leben auch die Verantwortung für Art und Zeitpunkt unseres Todes geschenkt.“ Suizid könne durchaus als Ausdruck des freien Willens interpretiert werden, ergänzte Frank Vogelsang, Direktor der Evangelischen Akademie, diesen Gedanken.
Ethisches Dilemma
Darüber, dass Selbstbestimmung verantwortungsvoll genutzt werden müsse, waren die Gesprächspartner sich einig, auch darüber, dass weiter debattiert werden muss. „Wir haben heute bessere Beratungsangebote als früher und dürfen sicherlich darauf vertrauen, dass niemand sich leichtfertig für das Sterben entscheidet, doch das Thema bleibt ein ethisches Dilemma“, so einer der Gesprächsteilnehmer und Pfarrer Martin Engels, Studienleiter am Bonner Evangelischen Forum, beschrieb es zum Ende des Abends so: „Es bleibt eine Kontroverse, und wir werden sicherlich weiterdenken im Gespräch.“
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Text: Katja Pohl
Foto(s): Matthias Pohl
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