Schweigegang vom Dom zur Synagogen-Gemeinde: Solidarität mit Israel und den Jüdinnen und Juden in der Stadt

„Ich bin sehr bewegt“, sagte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger im strömenden Regen vor der Synagoge an der Roonstraße nach dem Schweigegang. „Dass so viele Menschen unter diesen widrigen Umständen gekommen und bis zum Ende mitgegangen sind, ist ein starkes Zeichen für die Solidarität der Menschen in dieser Stadt mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Köln.“ 3000 Teilnehmende hatten sich zu Beginn des Schweigegangs auf dem Roncalliplatz am Dom versammelt. Eingeladen hatten der Evangelische Kirchenverband Köln und Region, das Katholische Stadtdekanat, der Katholikenausschuss für die Stadt Köln sowie zahlreiche Institutionen und Initiativen. Auch evangelische Gemeinden hatten zur Teilnahme aufgerufen. Die Einladung stand unter der Überschrift: „Wir trauern um die Opfer des Terrors gegen Israel. Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Mitbürger*innen!“

Unter den Teilnehmenden waren auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, Innenminister Herbert Reul, Medienminister Nathanael Liminski, sowie Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) und Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU). Die Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland wurde unter anderem vertreten durch Präses Dr. Thorsten Latzel und Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen. Auch Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Guido Assmann, Generalvikar des Erzbistums Köln, gingen vom Dom zur Glockengasse und anschließend zur Synagoge.

Ein Zeichen der Trauer

Die Einladung stand unter der Überschrift: "Wir trauern um die Opfer des Terrors gegen Israel. Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Mitbürger*innen!"
Die Einladung stand unter der Überschrift: „Wir trauern um die Opfer des Terrors gegen Israel. Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Mitbürger*innen!“

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Stadtdechant Robert Kleine begrüßten die Teilnehmenden in kurzen Statements auf dem Roncalliplatz. Kleine rief auf zum Gebet für Frieden im Nahen Osten. „Der Hamas-Angriff vom 7. Oktober ist der ,tödlichste Tag‘ für Juden seit dem Holocaust. Es herrscht Krieg in Israel. Im Gazastreifen. Es gibt Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Das ist furchtbar. Menschliches Leid, Tod und Zerstörung in Israel und im Gazastreifen können und dürfen nicht gegeneinander aufgewogen werden. Jedes Opfer ist eines zu viel. Und wir trauern um die, die unverschuldet aus dem Leben gerissen oder verletzt wurden“, sagte Kleine. Der Schweigegang sei zunächst ein Zeichen der Trauer und der Anteilnahme mit den Opfern des barbarischen Massakers, mit den Toten, den Verletzten, den Verschleppten, ihren Familien und allen Trauernden.

Der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger betonte, der Hamas-Angriff dürfe durch nichts gerechtfertigt werden, und fügte hinzu: „Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen Kölns.“ Und weiter: „Seit dem mörderischen Angriff der Hamas müssen wir in vielen Ländern und auch bei uns in Deutschland erleben, dass es nicht nur Gleichgültigkeit und Kälte gegenüber den jüdischen Opfern gibt, sondern dass sich offener Antisemitismus Bahn bricht auf Demonstrationen und in den Sozialen Netzwerken; er zeigt sich in Schmierereien an Wänden und Angriffen auf jüdische Geschäfte. Aber er bricht auch in den Alltag unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land und in unserer Stadt ein. Man hat fast das Gefühl, Antisemitismus ist salonfähig geworden und nicht mehr nur ein Thema der extremen Rechte, sondern auch in Teilen des linken, des migrantischen und des kulturellen Milieus.“ Seiger fuhr fort: „Wir gehen deshalb heute Abend gegen jede Form von Antisemitismus auf die Straße! Trauer und Betroffenheit brauchen eine Form. Diese ist heute am Vorabend des 9. November das Schweigen. Es gibt, wie es im Testament des Volkes Israel heißt, eine Zeit des Redens und eine Zeit des Schweigens.“

Am Standort der ehemaligen Synagoge hielt man kurz inne. Sie stand bis zur Pogromnacht 1938 neben der heutigen Oper. Dort steht heute ein Bürohaus. Im Erdgeschoss werden Golf-Artikel verkauft. Seiger erinnerte an die Geschichte: „Die Glockengasse war von 1802 bis 1938 eines der wichtigsten jüdischen Zentren Kölns. Die Synagoge hier war die erste Synagoge Kölns in der Neuzeit. Der prachtvolle Bau wurde von dem protestantischen Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner erbaut, eingeweiht 1861.“ Schlägertrupps der Nazis hätten die Synagoge und umgebende jüdische Geschäfte niedergebrannt. „Das Ziel war, jüdische Bürgerinnen und Bürger zutiefst zu beschämen und ihnen zu zeigen: Ihr habt hier keinen sicheren Ort und seid nicht erwünscht.“

Stadtdechant Kleine fügte hinzu: „Vor genau einem Jahr wurde die Fassade bei einer Lichtinstallation mit Bildern des alten Baus und des Zerstörungshandelns angestrahlt, um an den Bau und dieses schreckliche Ereignis zu erinnern. Heute, nach 85 Jahren wissen wir: Der Hass auf jüdische Menschen ist nicht vorbei. Wir trauen mit unseren jüdischen Geschwistern um die Opfer vor 85 Jahren und die Opfer des Massakers am 7. Oktober in Israel.“

Von der Glockengasse ging es weiter zur heutigen Synagoge an der Roonstraße. Dort beteten der Rabbiner der Gemeinde, Yechiel Bruckner, und der Kantor Mordechaj Tauber für die Opfer des Angriffs der Hamas. Anschließend stellten die Teilnehmenden am Schweigegang brennende Kerzen auf eine Mauer vor der Synagoge und hielten inne zum Gedenken der Opfer.

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Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/ (c) Henning Schoon / APK

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