Richtungswechsel – Miriam Haseleu zur Passionszeit 2021
Wie können wir Blockaden überwinden? Und wie sollen wir der Pandemie, die sich unseren Plänen nun schon seit einem Jahr in den Weg stellt, am besten begegnen? Pfarrerin Miriam Haseleu erinnert an die Geschichte von Bileam, der von seiner störrischen Eselin zu einem Richtungswechsel bewegt wurde, und erzählt, was sie an der biblischen Geschichte aus dem 4. Buch Mose so spannend findet.
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Rot, weiß – und es geht nicht weiter. Etwas stellt sich mir in den Weg, blockiert mein Vorankommen. Etwas kommt mir entgegen, was ich nicht geplant habe. Die Entscheidung ist getroffen, die Kommunikation ist festgefahren. Aber wie komme ich jetzt hier drüber?
Die Pandemie stellt sich seit einem Jahr in unseren Weg. Sie blockiert alles, was wir vorhaben, was wir uns wünschen, was wir geplant hatten. Warten wir einfach darauf, dass es besser wird? Oder nutzen wir die Zeit für eine innere Neuausrichtung? In der Bibel wird auch von jemandem erzählt, der auf dem Weg war und dem sich eine Blockade auf diesem Weg präsentiert. Bileam reitet auf einer Eselin, um einen Auftrag eines Königs zu erfüllen. Der Auftrag lautet, dass er Israel verfluchen soll. Das Volk, das lange in Gefangenschaft und auf der Flucht war, soll dadurch schwach gehalten werden. Auf dem Weg bockt seine Eselin, sie verlässt den Weg und rennt aufs Feld. Auch mit Druck und Gewalt bringt er sie nicht dazu, weiterzugehen. Sie drückt ihn sogar an die Steinwand, um nicht weiter gehen zu müssen.
Erst an dieser Wand erkennt Bileam, dass die Eselin einem Engel ausgewichen ist, der sich ihr in den Weg gestellt hat. Ein Engel, ein Bote Gottes, der die Botschaft an Bileam mitbringt: „Du kannst zu diesem König reiten. Aber wenn du da bist, dann tu bitte nur das, was ich dir sage!“ Und das macht Bileam dann auch, er richtet sich neu aus, er folgt dieser Stimme Gottes – und statt Israel zu verfluchen, segnet er Israel viermal. Danach muss er unter dem Zorn des Königs leiden.
Ich finde die Geschichte ja ein bisschen verrückt. Und ich finde es auch spannend: Bileam bekommt erst dann diesen Richtungswechsel hin, diesen inneren Richtungswechsel, als er die leise – offensichtlich leise – Stimme Gottes wahrnimmt, als er versteht, was dazu geführt hat, dass die Eselin bockt, dass sie aufhört zu gehen, dass sie aufhört, ihm zu folgen. Nicht durch Druck und Gewalt und durch das Festhalten an seiner alten Richtung, sondern an der Erkenntnis, dass segnen stärken heißt, dass Gottes Segen bedeutet, die Schwachen zu stärken und das in den Blick zu nehmen, was vielleicht auf unserem Weg abhandengekommen ist.
Und es ist ja auch spannend, dass das ein Tier ist, das ihn darauf aufmerksam macht. Es ist übrigens das einzige Mal, dass ein Tier in der Bibel spricht. Ein Tier, das darauf aufmerksam macht: So geht es nicht weiter! Erst durch die Eselin und ihr scheinbar verrücktes Verhalten wird sich Bileam bewusst, dass er einen Richtungswechsel braucht, dass er Gottes Stimme überhaupt hören kann, dass er die Stimme des Lebens hören kann. Der Richtungswechsel, der passiert, ist ein innerer Richtungswechsel. Er macht Bileam mutig.
Und die Pandemie verlangt uns auch einen mutigen Richtungswechsel ab, einen anderen Umgang mit der großen Klimakrise, einen anderen Umgang mit der Globalisierung und deren Folgen. Einen anderen Umgang mit der Verteilung der Ressourcen, mit der Gemeinschaft, mit Menschen mit Fluchterfahrung und mit Menschen auf der Flucht und unserer Umwelt. Die Krise fordert uns heraus, die Richtung zu wechseln und Prioritäten anders zu setzen. Die leisen und die vorsichtigen Stimmen wahrzunehmen hin zu dem, was Gott segnet: das Leben in Gemeinschaft und Solidarität mit den Kleinen und den Großen, mit den Starken und den Schwachen, mit den Menschen, den Tieren und der gesamten Schöpfung.
Text: Miriam Haseleu/APK
Foto(s): APK
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