Rebels and Heroes: Ein Stadtpilgerweg auf den Spuren starker Frauen

Wer etwas verändern will, muss sich auf den Weg machen – das gilt auch für das Thema Geschlechtergerechtigkeit: Im Vorfeld der Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe ist die bundesweite Kampagne „Go for Genderjustice 2022“ gestartet. Auch in Köln begaben sich etwa 15 Teilnehmende auf einen Stadtpilgerweg auf den Spuren von Kölnerinnen, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten für die Stadt und weltweit eingestanden sind. Vorbereitet wurden die fünf Stationen von Alida Pisu, Ulrike Plath, Dorothee Schaper, Christina Schlarp, Ute Verch und Almuth Voss.

Lebensthema Gerechtigkeit

Los ging es an der Antoniterkirche. Hier hat die Theologin Dorothee Sölle (1929 – 2003) mit einem ökumenischen Kreis von Mitstreitenden das politische Nachtgebet etabliert, das von 1968 – 1972 stattfand. Im Vierschritt von Information, Meditation, Diskussion und Aktion wurden damals christlicher Glaube und aktuelles politisches Geschehen miteinander in Beziehung gesetzt. Maßgeblich geprägt wurde Dorothee Sölle von ihrer Religionslehrerin am Hildegardis-Lyzeum Marie Veit (1921 – 2004), an die ebenfalls erinnert wurde. Die Mitbegründerin von „Christen für den Sozialismus“ und Mitherausgeberin der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ sensibilisierte die junge Dorothee Sölle für ihr späteres Lebensthema Gerechtigkeit.

Mut, Kampfeslust und Beharrlichkeit

Nur wenige Meter entfernt von der Antoniterkirche befindet sich der Ina-Gschlössl-Weg. Die Namensgeberin, Jahrgang 1898, wurde fast 90 Jahre alt und verdiente sich durch Mut, Kampfeslust und Beharrlichkeit den Ruf, der „einzige Mann in der Kölner Synode“ zu sein. Gemeinsam mit drei  Kolleginnen bildete sie die Gruppe der„vier Kölner Vikarinnen“, die sich für das volle Pfarramt auch für Frauen stark machte. Auch wenn Ina Gschlössl dies verwehrt blieb und sie selbst ihr Vikarinnenamt an der Kartäuserkirche nur von Mai bis November 1927 ausüben durfte, bleibt ihr Lebensmotto ein Aufruf (nicht nur) an alle Frauen: „Solange Unrecht herrscht, bleibt unbequem!“

Gegenüber dem Gebäude von Galeria Kaufhof ging es nun unter die Erde, genauer: in die unterirdische Haltestelle „Heumarkt“ der Linie 5. Ein wenig abseits vom Lärm der Straße begegneten die Teilnehmenden Margarete Tietz (1887 – 1972). Die studierte Lehrerin und Sozialarbeiterin aus reicher, jüdischer Familie hatte 1909 den Kölner Kaufmann Alfred Leonhard Tietz geheiratet, war sozial engagiert, leitete zeitweilig den Jüdischen Frauenbund in Köln und gründete 1919 die Jüdische Volksküche. Mit der Machtergreifung 1933 verlor sie alle Ämter und das Ehepaar floh nach Palästina. Nachdem ihr Mann dort 1941 verstorben war, ging sie 1948 in die USA, da sie nicht an ein verändertes Deutschland glaubte.

Beinahe exzessive Spendentätigkeit

Die Millionärsgattin Laura Oelbermann, geborene Nickel, rief 1900 einen Zweigverein der von Kaiserin Auguste Viktoria gegründeten Frauenhilfe ins Leben. 1897 – 1904 verlor sie alle ihre Angehörigen und regierte auf die Schicksalsschläge mit beinahe exzessiver Spendentätigkeit, von der unter anderem das Evangelische Krankenhaus Weyertal und die Christuskirche profitieren. Mit Yalda Yazdani, der Gründerin von „Female Voices of Iran“ und „Female Voices of Afghanistan“ und der aus der Ukraine stammenden Jazzsängerin Tamara Luhasheva kam die Musik als Mittel des Widerstands und des politischen Engagements zu ihrem Recht und begleitet von Lukashevas Song „Neue und alte Häuser“ ging es zurück ans Tageslicht.

Nächste Station: Waidmarkt. Zeit für ein Rendezvous mit drei wortgewaltigen Politikerinnen. Marie Jukacz (1879 – 1956), 1919 Gründerin der AWO, war die erste Frau, die vor einem deutschen Parlament sprach. Ihre Schwester, Elisabeth Kirschmann-Röhl (1888 – 1930), ging als erste Frau, die im Kölner Stadtparlament gesprochen hat, in die (Stadt)Geschichte ein und war eine von 37 Frauen in der Nationalversammlung. Hertha Kraus (1897 – 1968) wurde 1923 von Konrad Adenauer gegen alle Widerstände als Stadtdirektorin nach Köln geholt, wo sie verantwortlich war für das Kinderhilfswerk der Quäker und die „Riehler Heimstätten“ gründete. 1933 wurde die tatkräftige Reformerin der Sozialarbeit „beurlaubt“ und emigrierte in die USA.

Viel Wissen und zahlreiche Impulse

Auf der Severinstraße liegt das ODEON-Kino. Das ehemalige Theater ist untrennbar mit dem Namen Trude Herr verbunden, die dem Boulevard-Theater ihren ganz eigenen Stempel aufdrückte. Weiter zum Severinskirchplatz, wo Ute Verch am bronzenen Stollwerckmädchen in die Rolle von Gerda schlüpfte, die von ihrem harten Alltag in der Schokoladenfabrik berichtete – süße Kostproben inklusive. Im Nu waren statt der geplanten zwei fast drei Stunden vergangen und die Teilnehmenden konnten nicht nur viel Wissen und zahlreiche Impulse mit auf den Heimweg nehmen, sondern auch ein Gedicht von Dorothee Sölle für Marie Veit: „Das tägliche Brot der Ermutigung“.

Am Dienstag, 24. Mai, geht es weiter mit „Go for Genderjustice“: Um 18 Uhr beginnt der zweite Stadtpilgergang mit der 10 Minuten-Andacht in der Antoniterkirche und macht sich dann auf den Weg in die ökumenische Nachbarschaft.

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke

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