Licht, das sich ausbreitet, wenn der Krieg zuende ist – Osternacht in der Trinitatiskirche

„Es wird Ostern, das ist unsere Ausrichtung. Licht, das sich ausbreitet, wenn der Krieg zuende ist.“ Diese mutmachenden Worte rief Stadtsuperintendent Bernhard Seiger den Besucherinnen und Besuchern in der Osternacht in der nur mit Kerzen erhellten Trinitatiskirche zu und bezog den Predigttext aus dem Kolosserbrief auf die aktuelle Lage der Weltpolitik. „Gottes Herrlichkeit auf allen Kanälen, jede Propaganda ist dann verblasst, jede Lüge verstummt. Die Ehre wird offenbar, die Gott jedem Menschen gleichermaßen erweisen wird. Göttlicher Glanz auf dem Gesicht eines jeden Menschen.“

Der feierliche Gottesdienst in der Kölner Innenstadt wurde musikalisch mit der Kantate „Erfreut euch, ihr Herzen“ (BWV 66) für Soli, Chor und Orchester von Johann Sebastian Bachgestaltet. Mitglieder des reger chor köln und dem Ensemble spielWERK unter Leitung von Wolf-Rüdiger Spieler führten das klanggewaltige Werk auf. Die Bach-Kantate wurde am 10. April 1724 uraufgeführt. Ein Dialog zwischen „Hoffnung“ und „Furcht“ bestimmt die Gesänge und schloss so an die Botschaft der Osternacht  von Bernhard Seiger an.

„Das Licht dieses Morgens verändert die, die diese Botschaft hören und sie mit anderen teilen. Die, die dieser Botschaft Glauben schenken, werden mit dem verbunden, von dem sie hören. Dieses Licht verbreitet sich, ist nicht mehr auszukriegen, die ganze Welt sieht anders aus.“Weiter Stadtsuperintendent Bernhard Seiger  sagte in seiner Predigt. „Die Macht der Waffen gehört in die alte Welt. Es kommt die neue Welt Gottes! Jetzt ist sie noch verborgen, aber dann wird sie offenbar.“

 

Die gesamte Predigt von Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, über Kolosser 3,1-4 können Sie hier nachlesen:

Liebe österliche Gemeinde, in dieser besonderen Nacht sind wir mit unseren Sinnen hellwach und nachdenklich: Die Nachrichten aus der Ukraine vor Augen und die Botschaft der Auferweckung Jesu von den Toten an diesem Ort und jetzt an so vielen anderen gelesen und gesungen. – Wie geht das zusammen?

Als Predigttext für diese Nacht hören wir Worte vom alten und vom neuen Menschen – Kolosserbrief Kap. 3, Verse 1-4. Es geht in diesen Worten um Sein und Sollen, um Gegenwärtiges und Zukünftiges.

„Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, offenbar wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.“

In diesen Worten ist nachgezeichnet, was in der Karwoche verdichtet ist:

  • Die Erfahrung des Leidensweges Jesu
  • Graue Töne
  • Verdunkelung
  • Der Verlust von Menschlichkeit und Würde.

Und dann der Ostermorgen. Der Auferstandene erscheint den Frauen am Grab. „Fürchtet euch nicht!“

Auf einmal ist alles hell, wie in Licht getaucht.

  • So hell, dass es blendet und es erst mal schwierig ist, sich zu orientieren.
  • Eine himmlische Botschaft hat den Schalter umgelegt.
  • Was für ein Glanz!
  • Wie es leuchtet!

Das Licht dieses Morgens verändert die, die diese Botschaft hören und sie mit anderen teilen. Die, die dieser Botschaft Glauben schenken, werden mit dem verbunden, von dem sie hören. Dieses Licht verbreitet sich, ist nicht mehr auszukriegen, die ganze Welt sieht anders aus.

Der Verfasser des Kolosserbriefes schreibt: „Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so sucht, was droben ist, wo Christus ist. Trachtet nach dem, was droben ist, ihr werdet auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.“

Wir werden eingeladen, vom Neuen her zu denken und zu leben. „Sucht, was droben ist“, heißt, hebt den Blick, lasst euch nicht bestimmen von dem, was niedrig ist.  Nehmt das Geschenk des Lebens, das neue Leben, in beide Hände und gebt es nicht mehr her. Beim Leben geht es um Herrlichkeit und Glanz und Ehre. Auf griechisch heißt das „Doxa“.

Mit diesem Glanz Gottes werden wir verbunden. Wo Gott erfahrbar wird, da wird es hell. Da glänzt es. Da sieht die Welt anders aus: Da kommen Menschen zu Ehren, kommen wieder zu Ehren – nach anderen Zeiten. Erscheinen in einem neuen, wunderbaren Licht. Wo der Himmel aufgeht, wird es hell.

So war es doch schon, als der Auferstandene vor seinem Tod unterwegs war: Jesus hatte ein Gespür für Menschen im Dunkeln. Er heilte jene, die isoliert lebten, auf sich gestellt, fernab ihres Dorfes. Weil ihre Krankheit für andere angsteinflößend war. Jesus saß mit denen am Tisch, die wegen ihres Berufes oder ihres Rufs gemieden wurden. Öffentlich suchte Jesus Gemeinschaft mit solchen, mit denen niemand gesehen werden wollte.

Jesus sieht sie, die still leiden. Er sieht die Frau, die ihren Mann auf der Straße in Butscha gefunden hat. Er sieht, die, die in Angst in einem Bunker oder Keller sitzen. Und er sieht auch die, die diese Gewalttaten begehen.

Können wir das überhaupt denken? Überfordert uns das nicht? Entweder wir sehen diese schrecklichen Bilder und verlieren alle Zuversicht. Oder wir hören Ostergesänge und eine Kantate von der Freude und blenden die Berichte von menschlichen Abgründen aus. Wir können es kaum zusammen denken. Das kann noch nicht dieselbe Wirklichkeit sein! Oder gerade doch?

Ist nicht dieses Leben manchmal paradox? War es nicht auf Golgatha genauso paradox: der, der liebte und für die Wahrheit eintrat, wurde entehrt und beseitigt?

Wenn wir nicht wissen, was wir denken sollen, dann erreicht uns die Botschaft, die wir nicht in uns haben, sondern die wir nur mit Staunen vernehmen können.

Lass Dir das Neue gesagt sein. Lass das Entscheidende geschehen. Jesus wird auferweckt, er wird zu neuem Leben gebracht. Die Energie kommt von außen und sie treibt zur Zukunft. Es gilt das neue Leben. Das, was im Alten galt, wird überwunden. Tod, Gewalt und Zerstörungskraft, sie gehören zum alten Menschen.

Gott ist ein Gott des Lebens. Am Ende stehen die Würde und der Glanz. Das feiern wir an Ostern. Gegen alles, was gebrochen und schmerzhaft ist. Für Menschen auf der Schattenseite des Lebens wird es hell. Das ist Evangelium, gute Nachricht. Herrlichkeit, Glanz und Ehre. Darauf läuft es hinaus. Das Osterlicht will überall hin scheinen. Die im Dunkeln werden sichtbar. Volles Licht für alle. Weil der Tod verloren hat.

Die Macht der Waffen gehört in die alte Welt. Es kommt die neue Welt Gottes! Jetzt ist sie noch verborgen, aber dann wird sie offenbar.

Von solcher globalen Hoffnung schreibt und träumt der Verfasser des Kolosserbriefs. Die Hoffnung verbindet die Geschichten der Menschen heute mit der Geschichte Jesu. Sein Weg ging durch die Schwachheit in den Glanz. Die Hoffnung zieht uns voran. Jeden von uns mit den Geschichten dieser Wochen. Und jeden anderen Menschen nah und fern mit den Geschichten, die ihn geprägt haben. So werden die ins Recht gesetzt, die Unrecht litten. So werden die Täter zurechtgerückt, die vielleicht kein menschliches Gericht je zur Rechenschaft zieht. In Gottes Zukunft wird alles aufgedeckt, denn es geht ins Licht.

In der Osternacht leuchtet ein Licht, das allen scheint. Die Ehre, die Gott jedem Menschen gleichermaßen erweisen wird. Göttlicher Glanz auf dem Gesicht eines jeden Menschen.

Ja, die Wirklichkeit der Nachrichten sieht anders aus, dunkler. Noch ist das Licht „verborgen mit Christus“. Das schreibt ja schon der Kolosserbrief. Verborgen im Leid, das Menschen widerfährt. Das Kreuz steht noch in der Welt.

Das Neue, das Licht, ist noch verdunkelt durch Exzesse der Gewalt. Wo Krieg herrscht, ist es dunkel.

Jesus am Kreuz macht dieses Leid sichtbar, überall auf der Welt. Aber das Kreuz sagt auch zugleich: Das ist das Alte, es ist nicht Gottes letztes Wort! Das Neue kommt!

Es wird Ostern, das ist unsere Ausrichtung. Licht, das sich ausbreitet, wenn der Krieg zuende ist. Gottes Herrlichkeit auf allen Kanälen, jede Propaganda ist dann verblasst, jede Lüge verstummt. Die Ehre wird offenbar, die Gott jedem Menschen gleichermaßen erweisen wird. Göttlicher Glanz auf dem Gesicht eines jeden Menschen.

Den Anfang hat Gott gemacht. Irgendwann wird es offenkundig sein: Keiner ist mehr im Dunkeln, alle sind im Licht. Die Osternacht lädt uns ein, vom Neuen her zu denken und zu leben. Neuwerden ist der tägliche Neuanfang im Christenleben.

Hier liegt das Geheimnis und die Kraft der Taufe. In ihr, so hören wir, fängt das neue Leben an. Wenn wir getauft sind, ist das neue Leben Gottes schon in uns. Deshalb ist es gut, sich immer wieder an die eigene Taufe zu erinnern, gerade in der Osternacht.

Die Taufe ist ein Wunder, weil wir mit ihr Gottes Leben empfangen, weil wir gerufen werden. Wenn uns der Geist Gottes in der Taufe und in der Erinnerung daran geschenkt wird, dann werden wir für den Moment neu.

Wer das neue Leben empfängt, setzt sich mit aller Kraft für das Leben ein. Lebt nun als Kinder des Lichtes, denn mit dem Osterfest sind wir Kinder des Lichts.  Amen.

Text: APK
Foto(s): APK

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