„Lasst uns Paradiese neu erschaffen“: Appelle im Ökumenischen Gottesdienst der ACK Köln zum Tag der Schöpfung
Klimawandel, Corona-Pandemie, Energiekrise, Kriege und Postkolonialismus – und nicht zuletzt das Paradies auf Erden. Darum ging es im ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Schöpfung (23. September). Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köln hatte ihren traditionellen Gottesdienst im Rahmen der Dreikönigswallfahrt unter das Thema gestellt „An der Grenze – Zum Paradies“. Prediger war Dr. Constantin Gröhn, Pastor Diakonie und Bildung im Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost und neben Dr. Sarah Köhler Co-Autor des Konzeptpapiers „Paradising. Warum wir eine alte Vorstellung für die Zukunft zurückerobern wollen“.
Die Vorsitzende der ACK Köln, Superintendentin Susanne Beuth, verwies zu Beginn des Gottesdienstes darauf, dass dieser in verunsichernden Zeiten gefeiert werde: „Das Corona-Virus gefährdet Menschen, der Krieg in der Ukraine und so viele weitere Kriege und Unruhen hinterlassen Tote und Traumatisierte. Der Klimawandel fordert immer unübersehbarere Opfer. Das alles hat Auswirkungen auf uns selbst.“ Ein eurozentrischer Blick könne niemanden schützen. Beuths Forderung und ihr Appell: „Wir brauchen eine weltweite Solidarität in den bedrängenden Fragestellungen der Zeit. Es gibt nur diese eine Erde. Und gerade deshalb dürfen wir Christinnen und Christen die Vision vom Paradies Gottes nicht untergehen lassen. Wir sind gerufen, paradiesische Zustände zu erschaffen.“
Aktiv kämpfen gegen die Zerstörung der Welt
Die Apokalypse und das Paradies seien „in diesen Tagen wie zwei Nachbarländer“, konstatierte Pastor Constantin Gröhn in seiner Ansprache. Sich für eine ökologisch intakte Welt einzusetzen, wie Gott sie gewollt habe, heiße „in diesem fortgeschrittenen Stadium der Krise“, aktiv gegen ihre Zerstörung zu kämpfen. Dabei sei jede und jeder gefordert, der Einzelne wie die Gemeinschaft.
Gröhn zitierte dazu die britische Psychoanalytikerin Sally Weintrobe, deren Schwerpunkt psychoanalytische und interdisziplinäre Perspektiven beim Umgang mit dem Klimawandel sind. Es gebe zwei Wege damit umzugehen, „wenn man aus dem Augenwinkel sieht, was los ist und sich vor den Waldbränden, dem sinkenden Grundwasserspiegel und dem massenhaften Tiersterben fürchtet“. Ein Weg sei, „sich der unbequemen Wirklichkeit zu stellen und sie anzunehmen. Das ist ein ganzes Stück Arbeit. Dieser Weg stellt die eigenen Urlaubspläne, die Ernährungsweise, im Grunde das gesamte Konsumverhalten von mir und von uns als Gesellschaft in Frage“.
Ein anderer Weg führe in die gesellschaftliche Spaltung. Menschen würden sich „In-Gruppen“ schaffen, „die einen bestätigen, dass der eigene Anspruch gerechtfertigt ist, und man verteufelt außenstehende Gruppen als Fanatiker und extremistisch“, so Gröhn im Kölner Dom. „Nicht die Klimakrise selbst, sondern alle, welche die eigene Lebensweise – individuell und gesellschaftlich – in Frage stellen, sind dann das Problem.“
„Den Kolonialherren in uns bekämpfen“
Besonders groß aber sei die gesellschaftliche Verdrängung, wenn es um „Stimmen des Globalen Südens“ gehe, um die Menschen, die bis heute unter den Folgen des Kolonialismus und Imperialismus europäischer und US-amerikanischer Mächte leiden, kritisiert der Theologe. Es werde zu wenig über die Dürren und Fluten im Globalen Süden – den Entwicklungs- und Schwellenländern vor allem in Afrika, Asien, Ozeanien und Latein- beziehungsweise Südamerika – berichtet, hatte er bereits zu Beginn bemängelt. Sie erlebten die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise. „Die gut 20 Prozent der Weltbevölkerung im Globalen Norden, also die Länder, die vom Kolonialismus nachhaltig profitierten, sind für über 90 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Die restlichen 80 Prozent der Weltbevölkerung aber tragen historisch und gegenwärtig nur gut 10 Prozent der CO2-Emissionen bei“, so Gröhn. „Das sagt auch etwas über Privilegien aus. Ein Haus am Meer jedenfalls ist für Menschen in Bangladesch kein Urlaubs-Luxus, sondern lebensgefährlich.“
„Wir“ hätten verlernt, „über Sünde in der globalen Umwelt- und Klimakrise zu sprechen“. Es gebe etwas „in unserer Lebensweise, das uns darin bestärkt, uns als Ausnahme des großen, allgemeinen Lebenskreislaufes zu verstehen, etwas, das Eigennutz und Gier befördert“, sagte Constantin Gröhn weiter. Seine Forderung an die Versammelten ist eindeutig: „Wir haben den Kolonialherren in uns zu bekämpfen, welcher sagt: Wenn Menschen leiden müssen, damit es mir gut geht, dann muss es so sein. Nein, liebe Gemeinde, das muss es nicht. In Christus sind wir eins.“
„Bilder vom Paradies“
Gröhne nannte vier „Bilder, welche uns helfen, die Erde wieder mehr zum Paradies werden zu lassen“:
1.) Paradiese sind schon da – die Wahner Heide vor den Toren der Stadt, mitten in der zentralen Einflugschneise des Köln-Bonner Flughafens. Nur ein Grenzgebiet zum Paradies oder doch mehr. Lasst es uns wahrnehmen!
2.) Paradiese entstehen – die Selbstheilungskräfte ökologischer Systeme, wenn der Ausstieg aus fossiler Energie vollzogen ist. Lasst uns darauf vertrauen!
3.) Lasst uns die Paradiese schützen, die wir noch haben! Ich selbst werde mir nicht verzeihen, als ich als junger Pfarrer in einem Ausschuss der gängigen Logik baulicher und ökonomischer Erwägungen zustimmte. Ein schöner Ahorn musste einem neubetonierten Vorplatz weichen. Heute denke ich: Unsere Paradiese dürfen nicht an unserer eigenen Ungefährlichkeit zugrunde gehen. Die Keruben vor den Toren Edens trugen der Bibel nach flammende Schwerter.
4.) Lasst uns Paradiese neu erschaffen, ökologisch wie sozial. Wir dürfen uns nicht allein am Bestehenden ausrichten, Gott schuf uns auch zu Mitschöpferinnen und Mitschöpfern. Aus jedem Kirchgarten wird ein kleiner Garten Eden: Oasen der Biodiversität, abgerungen den Betonwüsten unserer Stadt.
„Wenn uns das gelingt, werden die Paradiese, von denen wir singen, träumen und die wir auf ausgewaschenen T-Shirts tragen, anders sein: nicht mehr inhaltlich entleert wie ein kurzlebiger Konsum- oder Wellnesstrend“, betonte Pastor Gröhn. „Nein, sie werden die Realität eines Versprechens sein, eines Versprechens, das wir uns im Gespräch miteinander und mit Gott geben können.“
Text: Hildegard Mathies
Foto(s): Bernhard Raspels
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