Kundgebung zum Ukraine-Krieg: „Frieden und Zusammenhalt in Europa!“
„Frieden und Zusammenhalt in Europa! Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern!“ Unter diesem Motto haben die Kölner Vertretenden der 2016 in Frankfurt am Main gegründeten Bürgerinitiative „Pulse of Europe“ erneut zu einer Kundgebung auf den Roncalliplatz geladen. Im Schatten des Kölner Doms versammelten sich mehrere hundert Menschen, um vereint gegen Putins Angriffskrieg in der Ukraine aufzutreten. Viele brachten mit Fahnen, Plakaten und Bannern sichtbar ihre Meinung zum Ausdruck. Einzelne, Organisationen und lose Gruppen nutzten das Mikrofon für Erklärungen, Einschätzungen und Aufrufe. Darunter Vertreter und Vertreterinnen des Kölner Rates der Religionen. „Pulse of Europe“ setzt sich unabhängig, überparteilich und überkonfessionell für die europäische Idee, für ein vereintes, demokratisches Europa ohne nationalistische Tendenzen ein – für ein neues europäisches Bewusstsein.
„Die Ukraine gehört zu Europa“, stellte Wolfgang Steinhauer vom Kölner Organisationsteam von „Pulse of Europe“ zum Auftakt grundsätzlich fest. Seine Begrüßung mündete in einen flammenden Appell, gemeinsam für Frieden und Freiheit in der Ukraine und in Europa einzustehen. Fast 77 Jahre habe man in Europa in Frieden gelebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg mit sechs Millionen ermordeter Jüdinnen und Juden und insgesamt über sechzig Millionen Toten seien die Herrschenden und führenden Politiker einig gewesen: „Nie wieder Krieg in Europa.“ Ein Konsens, der mittels vertrauensbildender Ost-West-Abkommen auch die Zeit des Kalten Krieges überdauert habe. Wahr sei jedoch auch, dass beide Seiten später „das eine oder andere Rüstungskontrollabkommen“ aufgekündigt hätten. „Und dann kam der 24. Februar dieses Jahres.“ Der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Putin in der Ukraine habe die Welt geschockt. Es sei ein „nicht legitimierbarer Überfall auf die territoriale Integrität eines souveränen europäischen Staates“.
Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und Grausamkeit mache sich breit in Europa. Aber das Denken in kriegerischen Kategorien bringe uns dem Frieden nicht näher, forderte Steinhauer die Bildung einer breiten Friedensoffensive. „Und ja, wir brauchen mehr Frauen in der Politik. Als Gegengewicht zu dem nicht geringen Anteil an oftmals testosterongesteuerten Männern.“ Er rief der großen Europäische Union zu, sich selbst treu zu bleiben. „Gib den Traum einer menschlichen Welt nicht auf. Bleibe deiner Charta der Grundrechte treu, der Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Bleibe den Werten der Völkerverständigung treu und trete gegen jede Form des Nationalismus ein.“ Er bat die große europäische Staatenfamilie, nicht in nationalstaatlichem Denken gefangen zu bleiben, sondern sich auf eine gemeinsame Kraft zu besinnen.
Für ein friedliches Zusammenleben
Bevor Vertreter und Vertreterinnen des Kölner Rates der Religionen ein Statement verlasen, dankte Diakon Jens Freiwald den Kölner „Pulse of Europe“-Mitgliedern für ihr Engagement und die kurzfristig ermöglichte Beteiligung. „Der Kölner Rat der Religionen trifft sich zweimal im Jahr mit der Oberbürgermeisterin“, erläuterte Freiwald die Grundlage der Einrichtung. „Die Basis unseres Zusammenseins ist die Kölner Friedensverpflichtung, in der sich 2006 die Religionsgemeinschaften Kölns für ein friedliches Zusammenleben verpflichtet haben, gegen jede Form von Ausgrenzung und Gewalt, gegen jede Form von Diskriminierung.“
Der Diakon, der im Katholischen Stadtdekanat unter anderem zuständig ist für die Ökumene und den Interreligiösen Dialog, mahnte, dass wir aufpassen müssten, dass nicht auch dieser fürchterliche Konflikt in der Ukraine Menschen hier in dieser Stadt gegeneinander aufbringe. Wir müssten achtgeben, dass Menschen nicht ausgegrenzt würden, beispielsweise weil sie russischsprachig seien. Denn es sei kein Krieg aller russischsprachigen Menschen gegen die Ukraine, sondern ein Krieg Putins gegen die Ukraine. „Und das sollte uns immer deutlich sein.“
Auch wenn der Kölner Rat der Religionen sich hauptsächlich für das friedliche Zusammenleben hier in Köln einsetze, stehe man heute hier vereint für den Frieden in der Ukraine. Man stehe mit gemeinsam gegen diesen fürchterlichen Krieg, für das Mitgefühl mit den Menschen, für Solidarität und für den Schutz der zu uns kommenden Menschen. Sie seien auch in unserer Stadt willkommen.
Als kleines Symbol für die Verbundenheit mit den wirklich vom Krieg Betroffenen kündigte Freiwald die Verteilung von kleinen Kerzen an die Teilnehmenden an. Diese habe der Kölner Dom zur Verfügung gestellt.
„Wir denken an Euch“
Zuvor gab der Diakon das Mikrofon an seine Mitstreitenden vom Kölner Rat der Religionen weiter. Pfarrerin Dorothee Schaper, Frauenreferentin im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region und als Studienleiterin der Melanchthon-Akademie zuständig für die Fachbereiche christlich-muslimische sowie interreligiöse Begegnung, ging kurz auf die Entstehung des Textes mit dem Titel „Wir denken an Euch“ ein: Das Statement sei in den letzten Tagen immer weiter entwickelt worden. Schließlich wurden die aus Schapers Feder stammenden Zeilen, in denen sie zahlreiche Perspektiven und Aspekte berücksichtigt, abwechselnd vorgetragen. Beteiligt haben sich Mitglieder der Alevitischen Gemeinde, der Baha´i-Gemeinde, des Buddhistischen Zentrums StadtRaum, Mitglieder islamischer Gemeinden, Zentren und Vereine, Mitglieder jüdischer Gemeinden und Mitglieder christlicher Gemeinden, Gemeinschaften und Einrichtungen.
Gedacht wurde unter anderem an die, „die Ihr bis zuletzt gehofft habt, dass es keinen Einmarsch und keine chauvinistische Gewalt geben wird“. An die, die unter Beschuss stünden, ohne Licht, Wasser und Heizung seien, „in diesen Stunden in den tiefliegenden U-Bahnstationen oder an anderen hoffentlich geschützten Orten in euren Städten mit Wut und Angst verharrt“. Man dachte an die, die sich um Angehörige, Geliebte und Freunde und Freundiinnen, um den Verbleib nahestehender Menschen im Kriegseinsatz sorgten. An die, „die Ihr in unseren Städten und Dörfern unsere alten Menschen pflegt und dafür Eure eigenen Familien verlassen habt und Euch nun sorgt“. An die Kinder, die die Welt nicht mehr verstünden. An von Gewalt betroffene Frauen, an die, die sich in „fragwürdige gewaltlegitimierende Erzählungen verstrickt“ hätten. Auch an die, „die Ihr wo auch immer Geflohene und Geschundene aufnehmt und versorgt“. An die, die in russischen und belarussischen Städten trotz staatlicher Repressalien gegen den Krieg demonstrierten. Ebenso an die, „die in der Ukraine, in Kenia, Somalia, Äthiopien“ aufgrund der ausbleibenden Mehllieferungen aus der Ukraine, der Kornkammer Europas, kein Brot mehr backen könnten.
Der letzte, von Schaper selbst vorgetragene Absatz stellt der grausamen, gewalttätigen Realität eine ersehnte, wünschenswerte Normalität gegenüber: „Wir denken an Euch … die Ihr gerne und viel lieber den Kopf und das Herz und das Geld frei haben möchtet, um zu tanzen, Musik zu hören und zu machen, zu flirten, Schach zu spielen, Nägel zu lackieren, sich zu verlieben, Gedichte zu schreiben, Fußball zu spielen, Schminke und schöne Kleider zu kaufen, Bücher zu lesen oder zu schreiben, alte Autos wieder auf Vordermann zu bringen, Eure Haare zu färben, zu beten, zu angeln, zu singen, eure Hunde , Katzen Pferde zu versorgen, zu kochen, Freunde und Freundinnen zu treffen oder essen zu gehen.“
Die in Köln lebende ukrainische Sängerin Mariana Sadovska trug nicht nur eindringliche-bewegende Lieder vor. Sie beschwor den Lebens- und Kampfeswillen der ukrainischen Bevölkerung, die damit „unsere ganze Welt“ verteidige. Und Sadovska appellierte mit weit tragender Stimme an die westlichen Staaten, ihr Heimatland gegen den Aggressor zu unterstützen. Denn „nukleare Wolken kennen keine Grenzen“. Es herrsche Krieg zwischen Diktatur und Demokratie, stellte sie fest. „Aber es sind russische Soldaten, die Krankenhäuser bombardieren. Das sind russische Männer und Frauen. Diese Schuld können wir ihnen nicht nehmen.“ Sadovska schloss sich der von vielen Seiten geäußerten Forderung an, den Luftraum über der Ukraine zu schließen. „Lasst uns nicht fürchten, seien wir nicht ängstlich“, wandte sie sich ermutigend an die Menge. Denn Putin genieße unsere Angst: „Sie gibt ihm Kraft.“
„Alle Menschen auf der Flucht verdienen unsere Solidarität“
Verlesen wurde eine Erklärung russischer Wissenschaftler, die sich entschieden gegen diesen Krieg stellen. Belarus und Ukraine hätten ein gemeinsames Problem, nämlich Putin, sagte ein georgischer Schauspieler. Leider habe Russland nie aufgehört mit seinen imperialistischen Träumen. Viele Georgier kämpften an der Seite der Ukraine, kämpften um die Demokratie an sich. Deutschland habe „bis zuletzt Wirtschaft über Werte gesetzt und versucht, eher Putin zu verstehen, als uns“. kritisierte er. „Die ganze Welt steht zusammen für die Ukraine. Die Ukraine wird niemals untergehen, die Ukraine wird siegen“, wollte der Redner mit fester, entschlossener Stimme jeden Zweifel beiseite räumen.
„Alle Menschen auf der Flucht verdienen unsere Solidarität“, sagte Christopher Gudacker von der pro-europäischen Partei Volt. Er finde es großartig, wie schnell deutsche Städte wie Köln reagiert hätten. „Rassismus ist keine Meinung und hat keinen Platz in der Geschichte.“ Vier Kölner Bezirksbürgermeister und Bezirksbürgermeister innen, allesamt von den Grünen, dankten den Veranstaltenden und Teilnehmenden für ihren beeindruckenden Friedensaufruf. Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister Köln-Innenstadt, beschwor den Zusammenhalt in Köln. Es gebe in dieser Stadt genug Platz für Flüchtlinge. Beispielsweise stehe hier sehr viel Büroraum leer. Da müsse die Stadt ran, nahm er zudem die nordrhein-westfälische Landesregierung in die Pflicht, zu handeln.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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