Im Zeichen der Vielfalt: Karnevalsgottesdienst im Dom mit Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Stadtdechant Robert Kleine
Die Tollitäten haben sich die Ehre beim traditionellen Karnevalsgottesdienst im Dom gegeben: Prinz René I. Jungfrau Marlis und Bauer Michael saßen ebenso in der ersten Reihe wie das Kinderdreigestirn Prinz Ole, Jungfrau Philippa und Buer Anton. Letztere hatten eine Kerze geschmückt, die Stadt- und Domdechant Robert Kleine segnete und Festkomitee-Präsident Christoph Kuckekorn entzündete.
FasteLOVEnd – Wenn Dräum widder blöhe
Stadtsuperintendent Bernhard Seiger verwies in seiner Ansprache auf das Lied „Sag mir, wo die Blumen sind“ von Marlene Dietrich aus den 50er Jahren, das ukrainische und auch russische Wurzeln habe. Der Song passe nicht in nationale Schubladen, sondern drücke Träume und Sehnsucht aus in allen Ländern. „Wir feiern hier in ökumenischer Verbundenheit Gottesdienst zur Sessionseröffnung und sind uns einig, hier zählt nicht: Mann oder Frau, nicht Jude, Muslim oder Christ, nicht Jüdin oder Muslima oder Christin, sondern hier zählt, dass wir Menschen gerne unbeschwert und glücklich leben. In Gemeinschaft und Vielfalt und ohne Angst. Wenn diese ,Dräum widder blöhe‘, dann ist auch Fastelovend“, sagte der Stadtsuperintendent. Wer nicht mehr träume, sei innerlich schon bald vertrocknet. Mit Träumen könne man sich eine andere Zeit denken und so leben, als wäre sie da. Eine Zeit des Friedens für den Osten Europas, für Israel und Palästina und Syrien: „Und Friede kann geschehen, Tyrannei kann enden, wie wir in Syrien gesehen haben. Die Knechtschaft wird nicht ewig sein.“
Zuversicht zu haben, wenn die Dinge gut liefen, sei leicht. Interessant werde es bei Gegenwind. Wer sei dann noch Kind der Zuversicht? „Das können Christen sein, denn wir leben von der Freude und vom Träumen des Größeren. Und das können die Karnevalisten sein, denn sie leben von der Freude am von Gott geschenkten Leben und davon, dass man sich das Schöne ausmalen kann.“
Bibel sei ein Mutmach-Buch
Die Bibel sei von Anfang an ein Mutmach-Buch gewesen. Beim Propheten Joel, Kapitel 3, finde man den Satz „Eure Alten sollen Träume haben, und eure jungen Männer sollen Visionen schauen“. Das werde denen gesagt, die gerade das Gegenteil erlebt hätten. „Gott schenkt den Menschen solche Träume und Visionen. Und gibt Kraft, von ihnen zu leben. Diese Zusage macht Mut und setzt Energie frei, an die Zukunft zu glauben, egal was sichtbar ist. Wenn diese Träume jetzt in der Session blühen, dann stärkt das alle, die in Köln und um uns her Fastelovend feiern.“ Glück lebe davon, an das zu glauben, was noch nicht sei. „Gott legt seinen Segen auf die, die träumen, Liebe üben und sich für Gemeinschaft, Frieden, Respekt und ein gutes Miteinander einsetzen.“
Menschen mit Träumen und Visionen
Auch Robert Kleine griff das Sessionsmotto auf und erinnerte an Menschen, die Träume und Visionen gehabt hätten. Martin Luther King mit „I have a dream“, Barack Obama mit „Yes, we can!“ und Angela Merkel mit „Wir schaffen das!“ „Auch der Prophet Jesaja, von dem wir die Lesung gehört haben, erzählt im Alten Testament von einem Traum, von einer Vision. Er ist überzeugt, von Gottes Vision zu berichten. Einem traurigen Gottesvolk, dem Volk Israels, das im Exil sitzt und scheinbar alles verloren hat – selbst verschuldet! –, sagt er zu: Gott meint es gut. Da kommt einmal einer. Der wird alles verändern.“ Jesaja beschreibe das friedvolle Miteinander von Panther und Böcklein, Säugling und Natter.
Gott habe jeden Menschen einzigartig geschaffen mit vielfältigen Fähigkeiten und Talenten. „Diese Vielfalt anzunehmen, bedeutet für uns als Kirche, aber auch als Gesellschaft, dafür einzutreten, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf.“
„Mir all, mir sin nur Minsche. Vür’m Herjott simmer glich“
Die Bläck Fööss hätten dies in ihrem Lied „Stammbaum“ verewigt: „Mir all, mir sin nur Minsche. Vür’m Herjott simmer glich.“ „Ich sehe den Auftrag des Karnevals und unser aller Auftrag darin, uns weiterhin offen und dialogbereit gegenüber Menschen anderer Herkunft, anderer Kultur und anderen Glaubens zu zeigen. Denn gerade in der Begegnung mit Fremden und dem Fremden liegt die Chance, Eigenes zu hinterfragen und neu zu sehen“, erklärte Kleine, der seine eigenen Träume beschrieb und an die bevorstehenden Wahlen im Bund und in Köln erinnerte: Der Stadtdechant träumt von hohen Wahlbeteiligungen, von Wahlen, die Parteien gewinnen, die nicht auf Hass und Ausgrenzung setzen, von Wahlgewinnern, die aus der deutschen Geschichte gelernt haben und nicht in unselige Zeiten zurückfallen: „Ja, ich träume von Wahlen, die Parteien gewinnen, die für ein gemeinsames Miteinander der Menschen und Nationen, für einen gerechten Frieden in der Welt und für Solidarität mit den Menschen am Rand stehen und die selber aufstehen gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Nationalismus in Köln und in unserem Land.“
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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