„Ich habe Helau gerufen“: Dä Nubbel – feierliche Sündenverbrennung am Veilchendienstag

Bei der feierlichen Nubbelverbrennung am heutigen Veilchendienstag ab 20:11 Uhr lösen sich mit Unterstützung von Pfarrer Klaus Eberhard und Peter Otten die „Karnevalssünden“ auf dem Vorplatz des Klosters der Benediktinerinnen in der Brühler Straße in Rauch auf. Danach wird im Café Baumhaus, Brühler Straße 26, 50968 Köln, weiter gefeiert. Teilnehmer können im Vorhinein ihre Sünden auf den Sünden-Flyern notieren, die im Veedel verteilt werden, und sie an eine der Pinnwände im Brauhaus am Kloster oder im Café Baumhaus aufhängen. Hier gibt´s die Flyer auch zum Selbstausdrucken. Klaus Eberhard, Pfarrer Evangelische Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal, und „Köln-Lotse“ Uli Kievernagel erzählen im Interview, was sie an Karneval lieben, was das Besondere bei der feierlichen Sündenverbrennung ist – und welche Sünden zugegeben werden:

Sind Sie jeck?

Klaus Eberhard: Von meiner Prägung her sicher nicht. Geboren in Wuppertal war der Zug überschaubar, wenn ich mal dabei war. Die Verkleidung beschränkte sich auf „Cowboy“ oder „Indianer“. Die Süßigkeiten fand ich als Kind das Beste. Ein Karnevalswissen bzw. -liedgut bekam ich nicht mit, was bis heute leider spürbar ist. Auf den Geschmack bin ich erst hier in Köln gekommen, besonders durch den Verein Raderberg und -thal, konkret durch die Sündenkartenverbrennung vor dem Brauhaus am Kloster. Der Kontakt zu Uli Kievernagel eröffnete mir neue Welten und zeigte mir Seiten an Karneval, die ich inzwischen sehr schätze.

Uli Kievernagel: Und wie! Als Kind in eine karnevalistische Familie hereingeboren kannte ich schon als Fünfjähriger alle wichtigen Karnevalslieder auswendig. Und bis heute ist der Karneval für mich die wichtigste Zeit im Jahr. Und selbstverständlich gibt es jedes Jahr ein neues Karnevalskostüm – immer selbstgebastelt. Dieses Jahr gehe ich übrigens als „Disco-Fox“, im Fuchskostüm mit rotierender Discokugel auf dem Kopf.

Was lieben Sie am (Kölner) Karneval?

Klaus Eberhard: Ganz klar, die Gemeinschaft! Man kommt sich näher. Das Gemeinsame überwiegt. Unterschiede und Anderssein spielen in dem Moment keine Rolle. Das ist etwas Wunderschönes! Ich genieße es inzwischen, Karneval in der Kneipe vor Ort oder auch im Gemeindesaal der Kirche zu feiern.

Uli Kievernagel: Der Karneval hat eine unglaubliche Integrationskraft. Ob alt oder jung, dick oder dünn, arm oder reich – der Karneval nimmt alle mit und macht keine Unterschiede. Dabei bietet der Karneval so viele unterschiedliche Ausprägungen – für jeden Geschmack ist etwas dabei: Gemütlicher Kneipenkarneval mit der Nachbarschaft, traditioneller Sitzungskarneval im Gürzenich, gemeinsames Singen bei „Loss mer singe“, alternativer Karneval mit Stunk, zusammen am Zugweg stehen… diese Liste lässt sich fortsetzen. Allerdings gibt es auch Dinge, die ich am Karneval nicht mag: Die Reduktion des Fests auf Sauferei und die Ausweitung des Karnevals als „Ganzjahresfest“. Da bin ich nicht dabei. Karneval darf nicht zu einer beliebigen, austauschbaren Feier werden.

Sie sammeln ja schon Sündenkarten. Gab es schon einige, die abgegeben wurden, und was steht dort beispielsweise?

Uli Kievernagel: Die Klassiker sind „Ich habe Helau gerufen“ und „Ich habe Altbier getrunken“. Eher lässliche Sünden. Schlimmer wird es bei „Ich jubele heimlich, wenn Borussia Mönchengladbach gewinnt“. Natürlich werden auch „kirchliche Sünden“ zugegeben: „Ich habe beim Gottesdienst gedacht, Halleluja gäbe es nur von Brings.“ Neu ist dieses Jahr „Ich kenne die Appelsinefunke nicht.“ Dass man ein kölsches Traditionskorps nicht kennt, offenbart karnevalistische Wissenslücken, die tatsächlich erschreckend sind. Ich bin selber gespannt, welche Buße hier auferlegt wird.

Klaus Eberhard: Die Themen karnevalistische Fehlgriffe, Fußball und Bier kommen tatsächlich oft vor. Manchmal sind es auch ernstere Themen mit einem tiefen, feineren Sinn.

Werden Sie auch wieder die „schönsten“ Sündenkarten zitieren, die Sünden einordnen und dann verbrennen?

Uli Kievernagel: Aber sicher! Alles, was man in Köln mindestens zum dritten Mal macht ist Tradition. Und diese wollen wir bewahren.

Klaus Eberhard: Zuerst einmal: Alle Sündenkarten werden verbrannt. Da es aber so viele sind, zitieren wir nur einen Teil der Sündenkarten öffentlich, ohne zu persönlich zu werden. Da spielt natürlich das Originelle und Feinsinnige eine Rolle. Befreites Lachen ist zu hören und eine fröhliche Atmosphäre ist da. Das Verbrennen symbolisiert, dass etwas Belastendes abgegeben wird. Die Sündenvergebung spielt hier schon eine Rolle. Es hat ja seinen Grund, dass zwei Geistliche (katholisch und evangelisch) die Sündenkartenverbrennung vollziehen. Übrigens wird zwischen den einzelnen Sündenkarten das Lied ‚Nemm mich su wie ich ben‘  angestimmt. Ein Gemeinschaftsfühl entsteht und man spürt: Irgendwie sitzen wir alle im gleichen Boot.

Warum haben Sie die feierliche Sündenverbrennung ins Leben gerufen?

Uli Kievernagel: In vielen Veedeln wird der Nubbel verbrannt. Eine schöne Tradition – mit einem Makel: Es fehlt die Einbeziehung der Menschen aus dem Veedel. Im Normalfall bereitet sich ein Redner vor, liest dem Volk alle Verfehlungen vor, der Nubbel wird verbannt und die einzige Teilnahme ist der gemeinsame Ruf „Dä Nubbel is et schuld.“ Bei der Sündenverbrennung ist das anders: Hier nimmt jeder Mensch aktiv teil.

Klaus Eberhard: Der Bezug zu den Menschen vor Ort war mir bei dieser Aktion ganz wichtig. Das Lied ‚In unserem Veedel‘ ist mir übrigens dabei ans Herz gewachsen und gehört zu meinen Lieblingsliedern, weil es den Zusammenhalt untereinander so schön ausdrückt.

Wie war die Atmosphäre bei der vergangenen Sündenverbrennung?

Uli Kievernagel: Ganz anders als in den vergangenen Jahren. Selbst in der Corona-Zeit haben wir die Sünden verbrannt und das live im Internet übertragen, damit alle teilnehmen konnten. Doch der Krieg in der Ukraine hat uns letztes Jahr dazu bewogen, die Sündenverbrennung in einer der Situation angepassten bedächtigen, sehr ruhigen Form zu feiern. Es war eher eine Andacht als eine ausgelassene Karnevalsfeier.

Klaus Eberhard: Es hat mich berührt, dass wir uns alle zusammen zum Friedensgebet vor dem Benediktinerinnenkloster an der Brühler Straße versammelt haben und Kerzen im neu errichteten Kapellchen angezündet wurden. Ein bewegender Moment!

raderbergundthal.de/category/veranstaltungen

www.koeln-lotse.de

Text: Frauke Komander
Foto(s): Bürgerverein Raderberg und -Thal

Der Beitrag „Ich habe Helau gerufen“: Dä Nubbel – feierliche Sündenverbrennung am Veilchendienstag erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.