„Gemeinsames und Irritierendes im Gespräch zwischen Christen und Muslimen heute“

Inspirierende Veranstaltung zum Karl Barth-Jahr in der Kölner Trinitatiskirche

Einen von gegenseitigem Respekt getragenen, lebendig-kraftvollen Austausch auf hohem rhetorischem Niveau, erlebten die Besucherinnen und Besucher auf der Veranstaltung: „Und damit Gott die Ehre geben – Karl Barth und der christlich-islamische Dialog“. Die Melanchthon-Akademie setzte damit ihre Reihe zum Karl-Barth Jahr und ihren Beitrag zum interreligiösen Dialog fort.

Gemeinsam mit Dr. Johannes Voigtländer, Beauftragter für das Karl Barth-Jahr der Evangelischen Kirche in Deutschland, begrüßten Akademie-Leiter Dr. Martin Bock und -Studienleiterin Dorothee Schaper in der Trinitatiskirche zwei ausgewiesene Kenner des Themas: Prof. Dr. Gregor Etzelmüller bekleidet eine Professur für Systematische Theologie an der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Milad Karimi lehrt Kalām, Islamische Philosophie und Mystik an der Universität Münster.
Ihr Dank galt ebenso dem gebürtigen irakischen, heute in Köln lebenden Musiker und Komponisten Saad Thamir für seine meditativen Beiträge.

Verbaut eine christozentrische Theologie den unterreligiösen Dialog?

Die beiden Referenten folgten einem dialogischen Konzept. Mehrfach reagierten sie in längeren Stellungnahmen aufeinander. In diesen brillierten die Wissenschaftler mit Erläuterungen der Theologien Barths und des Islams. Dabei schälten sie trotz deren scheinbar „größten Verschiedenheit“ nicht nur „tragfähige Ansätze“ für ein interreligiöses Gespräch heraus. Sie entfalteten schließlich Gemeinsames, sogar Verbindendes zwischen Christen und Muslimen. Zahlreiche Gäste brachten sich in zwei Publikumsrunden mit Fragen und Ansichten ein. Auf diese reagierten Karimi und Etzelmüller ebenso aufmerksam wie auf Erkundigungen von Martin Bock etwa nach dem Interesse von aktuellen Studierenden am interreligiösen Gespräch.

An keiner Stelle der „Kirchlichen Dogmatik“ von Karl Barth (1886–1968) sieht Etzelmüller eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Islam. Barths Theologie denke konsequent von Jesus Christus her und auf ihn hin. Etzelmüller fragte deshalb, ob Christozentrik und interreligiöser Dialog sich einander nicht ausschlössen. Ebenso dachte Karimi zunächst darüber nach, ob die christozentrische Theologie nicht den Weg verbaue.

„Was uns verbindet sind die Fragen, weniger die Antworten“

Etzelmüller betonte Barths Verdienst, das Judentum für die Theologie wiederentdeckt zu haben: „Für ihn gehörten Christentum und Judentum unauflösbar zusammen.“ Ohne den lebendigen und bleibenden Bezug auf das Christentum und Judentum könne sich der Islam kaum verstehen, erklärte Karimi. Der Koran sei erfüllt von christlichen Weisheiten und Aussagen. Selbstverständlich gehe es nicht darum, falsche Gemeinsamkeiten zu suchen oder Traditionen zu vermischen. Entscheidend sei, dass beide Überlieferungen von denselben Fragen ausgingen. „Was uns verbindet sind die Fragen, weniger die Antworten“, verdeutliche Karimi.

Was ist Religion?

Etzelmüller attestierte Barth Hellsichtigkeit aufgrund dessen Feststellung, Gott sei gefährdet durch das, was in Kirchen falsch von ihm geredet werde. Nicht von Atheisten oder Katholiken gehe die Gefahr aus, Gott zu verstellen, sondern durch unsere eigene Theologie. Es gelte, zwischen Bibel und Offenbarung streng zu unterscheiden. Nichts Menschliches sei fähig, Gott zu offenbaren. Religion sei der Versuch des Menschen, sich selbst ein Bild von der Welt zu machen. „Nicht alle anderen Religionen sind Unglaube“: Wer Barth so lese, lese ihn falsch. Barths Religionskritik verdeutliche, dass die Kirche mit ihrem Reden und Tun das Reich Gottes nicht hervorgebracht habe. Barth habe ausgedrückt: „Wir sind keineswegs besser als alle anderen.“ Barth sage, „auch das Christentum ist Gottesdienst und Werkgerechtigkeit“. Deshalb könnten wir uns einen interreligiösen Dialog vorstellen, ohne Gott zu verstellen. Barth finde mit seiner kritischen Haltung zur Religion im Islam Gehör, weil auch der Islam frage: „Was ist Religion?“

Dialog der Religionen

Etzelmüller interpretierte Barths christologische Konzentration auch im Sinne des Dialoges. „Wir erkennen in Jesus Christus den Gott, der die Menschen angenommen hat, die gesamte Menschheit.“ Es entfalle der Zwang, sie zu Christen machen zu müssen. Raum werde geschaffen für den Dialog mit Menschen anderer Religionen im Licht der Gnade. Barth habe Christus den Parteigänger der Armen genannt, dessen Wirken in anderen Religionen erkannt werden könne. Das heiße aber nicht, sie kirchlich zu vereinnahmen. Barth intendiere vielmehr ein Offenhalten für die Möglichkeit, dass Christi Geist auch in anderen Religionsgemeinschaften wirksam werden könne. Muslime und Christen dürften sich als Teile einer größeren Gemeinschaft sehen, so Etzelmüller. Wenn man die vielfältigen Wirkungen des Islams erkenne, erkenne man, dass die Welt ohne den Islam ärmer wäre.

Karimi dankte Etzelmüller für die von christlicher Seite selten so geäußerte große Wertschätzung. Barth schreibe, dass Offenbarung in der Sache Versöhnung sei. „Das ist für den Islam kein fremdes Phänomen. Das, was wir hören, ist die Stimme Gottes.“ Karimi betonte, dass der im Koran vielfach als der Liebende bezeugte Gott in den Menschen seine Barmherzigkeit erblicke. „Sein Handeln in der Schöpfung ist von seiner Barmherzigkeit getragen.“ Zwischen der Offenbarung und dem Glauben müsse es einen dritten Raum geben, wünscht sich Karimi einen Raum des Nachdenkens, der Mehrdeutigkeit, der Toleranz. „Wir brauchen die Christen als heilendes Anderssein“, sagte der Islamwissenschaftler. Und er schlug vor, dass Christentum und Islam den Versuch wagen sollten, Gott von der jeweils anderen Seite her zu schmecken: „Dann ist der Dialog fruchtbar.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

Der Beitrag „Gemeinsames und Irritierendes im Gespräch zwischen Christen und Muslimen heute“ erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.