Alles gut? Gott, das Virus, Karl Barth – und wir

Im sogenannten Mainstream schwimmt Dr. Ralf Frisch sicher nicht mit. Der Professor für Systematische Theologie und Philosophie an der Evangelischen Hochschule Nürnberg machte in seinem Zoom-Vortrag schnell klar, dass seiner Meinung nach in einer säkularisierten Welt die Kirche zum einen nicht sprachlos sein darf und zum anderen den Mut haben muss, klares Zeugnis von Gott abzulegen. „Wir dürfen nicht in theologischer Abstraktion verharren, nicht ausschließlich den Menschen in den Mittelpunkt rücken“, so seine These.

Online Vortrags- und Gesprächsabend

Eingeladen hatten zu dem Vortrags- und Gesprächsabend „Alles gut? Gott, das Virus, Karl Barth – und wir“ die Kölner Melanchthon-Akademie in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie im Rheinland, beheimatet in Bonn. Deren Leiter, Dr. Martin Bock von der Melanchthon-Akademie, sowie Dr. Frank Vogelsang, Leiter der Bonner Akademie, moderierten Vortrag und Gespräch mit knapp 40 Teilnehmenden. Dr. Martin Bock erklärt die Motivation zum Vortrag auch mit der aktuellen Situation: „Gerade die Corona-Krise bringt es an den Tag, wie groß die Gefahr des modernen Protestantismus ist, sich in einen Humanismus empathischer Zwischenmenschlichkeit aufzulösen. Und es steht zu befürchten, dass Kirche und Theologie bald am Ende sein werden, wenn sie am Ende nicht mehr zu sagen haben, als dass Gott keine anderen Hände als unsere Hände hat.“

Theologischer Eigensinn im Sinne von Karl Barth

Ralf Frisch sagt von sich selbst, er sei ein großer Fan des Schweizer Theologen Karl Barth, der „radikal im Denken war und im Grunde die Theologie des 20. Jahrhunderts begründete.“ 2018 erschien Frischs Buch „Alles gut – Warum Karl Barths Theologie ihre beste Zeit noch vor sich hat“, das zur Grundlage eines mitreißenden Vortrags mit klaren und oft unpopulären Standpunkten wurde. Mit Blick auf Karl Barth fordert Ralf Frisch Christen dazu auf, von Gott zu reden. Eigentlich ein unmögliches Unterfangen, denn „Wie soll der Mensch das Göttliche in Sprache fassen können? Etwas, das nicht zu beweisen ist, lässt sich nicht in Fakten bringen. Der Mensch ist eben nicht transzendenzfähig.“

Doch gerade das Sprechen von Gott liege ihm am Herzen, so Professor Dr. Ralf Frisch. „Wir müssen so reden, als gäbe es Gott und uns dem Risiko, als Märchenerzähler zu gelten, aussetzen. Ich nenne das, ganz im Sinne von Karl Barth, theologischen Eigensinn“, betont der Autor, der sagt, dass auch ihm es in Gottesdiensten oft an Mystik mangelt, daran, dass klar wird: Es gibt eine letzte Wirklichkeit außerhalb unserer Welt. An der Theodizee-Frage zerschellt alles – auch das ist Ralf Frisch bewusst, doch er fordert die protestantische Kirche dazu auf, nicht mehr nur als „Moralagentur“ zu fungieren, nicht in theologischer Hoffnungslosigkeit zu verbleiben, nicht nur eine Sozialethik zu verkünden, sondern der Gottesvergessenheit etwas entgegen zu setzen.

Suche nach der Erfahrung des Göttlichen

Den Ursprung dieses, auf den Menschen fokussierten, Denkens, sieht Ralf Frisch bei Martin Luther, der die Protestanten aus der selbstverständlichen Realität, ja aus der Herrschaft der Kirche, freiließ. Eine Entwicklung, die bis zu Ludwig Feuerbach ins 19. Jahrhundert führte, der Gott als „Spiegel des Menschen, als sein Projekt“ definierte. „Aber Karl Barth, der vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges wirkte, fragte sich dann, wie man angesichts dieser Gräuel noch an den edlen Menschen als den Schöpfer des Göttlichen glauben kann. Er forderte uns dazu auf, als Sünder, die aus der Barmherzigkeit Gottes heraus leben, Gott für wahrer zu halten, als alles andere. Wir machen dann den Gebrauch von Annahmen, die nicht zu beweisen sind.“ Eine solche Haltung fehle in der heutigen Kirche, so Ralf Frisch.


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Text: Katja Pohl
Foto(s): Katja Pohl

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