Wohnen für Hilfe: So funktioniert die Studenten-Senioren-WG

Durch das Konzept „Wohnen für Hilfe“, das die Universität Köln und das städtische Amt für Wohnungswesen in Zusammenarbeit mit der Seniorenvertretung im Jahre 2009 initiiert hat, finden Studierende dringend benötigten Wohnraum und die wohnraumanbietende Person Unterstützung. Statt Miete zahlen die Studierenden nur die Nebenkosten, den Rest leisten sie durch Alltagshilfen. Die Grundregel für dieses Konzept, das in Köln seit seinem Start bereits annähernd 800 Wohnpartnerschaften realisiert hat, ist einfach:

Pro Quadratmeter Wohnraum soll die studierende Person eine Stunde Hilfe im Monat leisten. Durchschnittlich werden rund 15 bis 20 Quadratmeter angeboten. Des Weiteren werden drei Euro pro Quadratmeter für Strom und Wasser berechnet. Die Hilfen, die durch die studierende Person geleistet werden, können vielfältiger Art sein. Mit dem Hund Gassi gehen, Putzen, Einkaufen, Gartentätigkeiten, Kinderbetreuung oder die Erledigung handwerklicher Arbeiten – vieles ist dabei möglich, jedoch dürfen Pflegeleistungen nicht ausgeübt werden. Das angebotene Zimmer muss nicht möbliert und es muss auch kein ein separates Bad oder Küche vorhanden sein.

Wünsche und Erwartungen kennenlernen

Zuständig für die Durchführung dieses Konzeptes, welches an der Universität zu Köln im Bereich der Rehabilitationswissenschaftlichen Gerontologie angegliedert ist, sind die Mitarbeiterinnen Heike Bermond und Sandra Wiegeler. Beide lernen die studierenden Personen in einem persönlichen Gespräch kennen und erforschen deren Motivation, Fähigkeiten und Bedürfnisse. Auch besuchen sie die wohnraumanbietenden Personen zu Hause in den eigenen vier Wänden, um zum einen den angebotenen Wohnraum zu begutachten. Zum anderen lernen sie die Person mit dessen Wünschen sowie Erwartungen kennen und besprechen so eventuelle Befürchtungen und können diese aus dem Weg räumen.

Am Anfang steht das „Probewohnen“

Beide Mitarbeiterinnen achten bei ihrer Auswahl der Wohnpartner auf eine harmonische Einheit. Die Chemie zwischen beiden Parteien soll stimmen, denn sowohl wohnraumanbietende als auch studierende Person müssen letztlich miteinander zufrieden sein. Dabei ist es sehr nützlich feste Absprachen, etwa hinsichtlich der Unterstützungsleistungen, Besuch von Freunden oder musikalische Aktivitäten zu treffen. Bevor eine Wohnpartnerschaft zustande kommen kann, empfehlen die Mitarbeiterinnen ein sogenanntes Probewohnen. Dann können die wohnraumanbietende und studierende Person sehen, ob das Zusammenleben gut funktioniert. Klappt das Probewohnen gut, kann danach der sogenannte Wohnraumüberlassungsvertrag abgeschlossen werden, der die rechtlichen Dinge regelt. Sollten während einer Wohnpartnerschaft doch mal Fragen oder gar Schwierigkeiten auftreten, stehen beide Mitarbeiterinnen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung.

Offenheit und Neugierde für den jeweils anderen

Das Wichtigste, was beide Seiten mitbringen sollten, ist die Offenheit und Neugierde für den jeweils anderen, aber auch Respekt und Rücksichtnahme. Die Erfahrungen aus den letzten elf Jahren Wohnen für Hilfe zeigen, dass Wohnpartnerschaften, die beiderseits ihre Wünsche, Erwartungen und vielleicht auch Ängste miteinander kommunizieren und gemeinsam Absprachen treffen, dauerhaft zusammen wohnen bleiben und eine große Zufriedenheit äußern.

Wohnen für Hilfe… und in der Praxis?
Von Ha-Young Seo

Mein Hauptwohnsitz ist seit anderthalb Jahren in Köln – so lange studiere ich nun schon Dolmetschen für Deutsche Gebärdensprache (DGS) an der Universität zu Köln. So groß wie meine Freude auf den Studienbeginn damals war, waren mindestens meine Sorgen bezüglich einer erfolgreichen Suche eines Wohnraums. Ich wollte weder anderthalb Stunden zur Uni anreisen, noch wollte ich meine ganze Freizeit darauf aufwenden, mir eine Unterkunft leisten zu können. Durch Zufall stieß ich auf Wohnen für Hilfe und bewarb mich mit folgenden Wünschen: ein eigenes helles Zimmer als Rückzugsort, relativ flexible Arbeitszeiten, Nähe zur humanwissenschaftlichen Fakultät und Begegnungen auf menschlicher Ebene. Bald wurden mir vier unterschiedliche Wohnraum anbietende Personen vorgeschlagen, darunter befand sich erfreulicherweise auch die Familie, bei der ich heute lebe. Nach dem ersten persönlichen Kennenlernen und einer Besichtigung des Wohnraums entschieden wir gemeinsam, diese Form der Wohngemeinschaft auszuprobieren. Was gab es schon zu verlieren? Unsere Bedürfnisse und Erwartungen schienen auf den ersten Blick kompatibel. Mitte September 2019 unterzeichneten wir den offiziellen Vertrag im Beisein der Vermittlerinnen und so zog ich Ende September bei der Familie ein.

Das erste Jahr war ein Jahr der Eingewöhnung, welches rasant schnell vorüberzog. Ich sammelte das Laub von der Einfahrt auf, kochte koreanische Gerichte mit Anleitung aus YouTube-Videos, staubsaugte munter durch das Haus und übte fleißig DGS-Vokabeln. Zugegebenermaßen erinnert mich die AWB (Abfallwirtschaftsbetriebe)-App auch heute noch daran, welche Tonne herausgestellt werden darf – vermutlich bis zum Ende meines Studiums! Außerdem hat sich relativ zügig der wöchentliche „Sushi-Abend“ in der Wohngemeinschaft durchgesetzt, an dem jede Person ihre individuelle Sushi-Rolle mit den verschiedensten Zutaten rollen, schneiden, verzieren und essen kann.

Heute denke ich, dass aus jeder Wohngemeinschaft eine wahrhaftige Gemeinschaft werden kann, wenn Menschen aufeinander zugehen und sich gegenseitig mit ihren Stärken stützen und unterstützen. Ich bin für die neuen wundervollen Begegnungen dankbar und bin gespannt auf das, was noch kommt.

Wenn eine Perle Einzug hält…
Von Martina Hille-Peters

Aus jungen Jahren war mir das wohl vertraut. Da wohnte ich als Studentin in einer Wohngemeinschaft, kurz WG genannt. Jetzt im Alter sollte ich damit wieder beginnen? Noch ein wenig zögerlich, aber doch immer wieder Neuem aufgeschlossen und nachdem schon mal drei Kinder ausgezogen sind, habe ich diesen Neuanfang in Angriff genommen. Das Konzept von “Wohnen für Hilfe“ einer Wohnpartnerschaft überzeugte, die Anmeldung war schnell erledigt und gespannt erwarteten mein Mann und ich das Erstgespräch mit den Betreuerinnen. Sie haben sich viel Zeit genommen, Wünsche und Erwartungen zu erfragen, die Bedingungen zu erläutern und nachdem die räumlichen Gegebenheiten aufgenommen wurden, auch mögliche Schwierigkeiten angesprochen. Wir mussten nicht lange warten und gleich mit der ersten Bewerberin haben wir den Vertrag abgeschlossen.

Es fiel mir doch etwas schwer das Zimmer zu räumen, aber entrümpeln ist ein Gewinn. Einen Kühlschrank konnte ich bereitstellen, der Hausschlüssel wurde überreicht und der Internetzugang ermöglicht. Das Bad teilt sie sich mit den anderen Kindern und wer noch so gerade unser Haus bewohnt. Die Kern-WG umfasst zur Zeit wieder vier Personen mit Sohn und Freundin.

Meine Bedenken, jemanden immer wieder auf anstehende Arbeiten aufmerksam machen zu müssen, haben sich sofort zerstreut. Durch die sorgfältige Auswahl der überwiegend weiblichen Bewerberinnen passen, jedenfalls bei uns, Wünsche und Fähigkeiten auf beiden Seiten wunderbar zusammen. Erfrischend die Geselligkeit beim Spieleabend, gerne bringe ich ihr Stricken und Häkeln bei, vor der Haustür ist jetzt endlich immer sauber gekehrt, neue Kochrezepte stehen auf der Hitliste der liebsten Gerichte und den zweiten Kühlschrank brauchen wir auch nicht mehr. Gemeinsam wird gekocht, morgens gefrühstückt und wie wunderbar: die Küche ist meist schon aufgeräumt, wenn ich noch Zeitung lese. Das Studentenleben findet im Homeoffice statt und ist recht flexibel.

Immer jemanden im Haus zu wissen, ist und war eine große Beruhigung, besonders zu Zeiten, als mein Mann noch lebte. Pflegetätigkeiten gehören nicht zum Aufgabenfeld, aber Gespräche, ein Lächeln, ein fröhliches „Guten Morgen“ hat er genossen.

Für den 1. FC Köln muss ich sie noch begeistern, wenn das im Moment auch schwer fällt, aber Karneval ist schon das Projekt fürs nächste Jahr und den Grüngürtel erkunden, damit die Welt nicht schon hinter der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche endet! Die Wohnpartnerschaft ist zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen.


Mehr Infos:
Wohnen für Hilfe
Frangenheimstr. 4
50931 Köln
Tel. +49 221 470-7933
E-Mail: wfh-hf@uni-koeln.de

Homepage: www.wfh-koeln.de

Text: APK
Foto(s): APK

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