„Wir haben viele schöne Stücke, die die wissenschaftliche Aufbereitung wert sind“ – Archivarin Stefanie Schensar

Stefanie Schensar stammt aus dem Ruhrgebiet. Sie hat Geschichte an der Universität Duisburg-Essen studiert. Dort war sie als studentische Hilfskraft im Universitätsarchiv tätig. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Studium arbeitete sie als Archivarin im Stadtarchiv Würzburg sowie im Stadt- und Kreisarchiv Paderborn. Seit dem 1. Oktober 2019 ist sie Leiterin des Archivs des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Berufsbegleitend studiert sie den Master für Archivwissenschaften an der Fachhochschule Potsdam.

Frau Schensar vom Ruhrgebiet über Würzburg und Paderborn nach Köln: Ein echter Kulturschock?

Jedes Mal. Ich war in Franken, in Westfalen und jetzt bin ich im Rheinland. Ich habe das aber jedes Mal als Bereicherung empfunden.

Welche Archivalien lagern hier in den Kellern im Haus der Evangelischen Kirche?

Unsere Aufgabe ist die Übernahme, Sicherung, Bewertung und Verzeichnung des Schriftgutes des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region sowie seiner Ämter und Einrichtungen. Ergänzt wird die Überlieferung durch Nachlässe, Sammlungen und Deposita der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen, der Evangelischen Gemeinde Köln, der Kirchenkreise Köln-Nord, Köln-Mitte sowie der Emil und Laura Oelbermann-Stiftung. Wir sprechen dabei von 1500 laufenden Metern Akten, die sich auf drei Magazinräume aufteilen.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie die „Archivwürdigkeit“ eines Schriftstücks?

Es gibt verschiedene Parameter, mit deren Hilfe man die Archivwürdigkeit einer Akte feststellen kann. Zum Beispiel gibt es gesetzliche Vorschriften, in denen festgehalten ist, welche Schriftstücke dauerhaft aufzubewahren sind. Die Sicherung von Rechten ist dabei maßgebend.

Ein anderer Aspekt betrifft die inhaltliche Aussagekraft beispielweise zu historischen Ereignissen. Manchmal spielt auch das Alter eines Dokuments eine Rolle. So archiviert das Archiv alle Schriftstücke unabhängig ihres Aussagewerts, die vor 1950 entstanden sind, da es im II. Weltkrieg durch Bombardierungen zu starken Verlusten gekommen ist.

Zur Erschließung der Archivalien verwenden wir eine Software, die es uns ermöglicht die Archivalien zu erfassen, nach einer festgelegten Struktur zu erschließen und dadurch für die Wissenschaft und Öffentlichkeit nutzbar zu machen.

Archivieren Sie analog oder digital?

Die Überlieferung des Archivs besteht vorwiegend aus Papier. Bisher werden von den Sachbearbeitern alle relevanten Schriftstücke ausgedruckt und abgeheftet. Perspektivisch wird sich dies in der Zukunft mit der Einführung der E-Akte sicherlich ändern. Dann wird auch das Archiv neue Wege der Bewertung, Übernahme und Archivierung gehen.

Unabhängig von dieser Entwicklung strebt das Archiv in der nächsten Zeit an einige Bestände, die besonders oft nachgefragt werden oder sehr alt sind, zu digitalisieren, um sie vor Schäden, die durch zu häufiges Ausheben und Umblättern entstehen können, zu bewahren. Mit diesen Beständen kann dann an einem PC im Leseraum des Archivs gearbeitet werden.

Häufig nachgefragt werden übrigens Beiträge aus „Der Weg“, einer ehemaligen Wochenzeitung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Und wir bekommen häufig Anfragen zu Personen, die im Bereich der evangelischen Kirche gewirkt haben oder ganz allgemein von Menschen, die über die protestantische Geschichte Kölns forschen.

Wie archivieren Sie in Zeiten von E-Mail und WhatsApp?

Relevante Mails werden weiterhin ausgedruckt.

Die Digitalisierung lässt also noch auf sich warten?

Na ja, die Digitalisierung stellt Verwaltungen sowie Archive gleichermaßen vor neue Herausforderungen. Es müssen Formate gefunden werden, die eine langfristige Speicherung und Lesbarkeit garantieren. Zudem liegen in den Magazinen des Archivs bereits ältere Speichermedien wie bspw. Disketten. Die Lesbarkeit dieser Speichermedien wird dadurch erschwert, dass es kaum noch funktionierende Lesegeräte gibt. Die Anschaffung neuer Lesegeräte muss in Relation zur inhaltlichen Relevanz betrachtet und abgewogen werden.

Die unvermeidliche Frage an eine Archivarin. Welches ist Ihre älteste Archivalie?

Das sind Dokumente der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen und der Evangelischen Gemeinde Köln aus der Reformationszeit. Diese Bestände liegen als Depositum im Archiv. Die älteste Archivale aus der Verbandsgeschichte stammt aus dem Jahr 1934, dem Gründungsjahr des Verbandes.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Wir möchten unseren Internetauftritt verbessern, damit wir die Bedürfnisse von modernen Archivnutzern befriedigen und damit neue Nutzerkreise erschließen können. Jede Archivale, die ungenutzt bleibt, kann einen ungesehenen Schatz in sich tragen. Und wir haben viele schöne Stücke, die die wissenschaftliche Aufbereitung wert sind. Die Benutzung des Archivs ist übrigens gebührenfrei. Archivalien, Bücher und Festschriften können eingesehen werden. Wir bitten nur um eine vorherige Anmeldung.

https://www.kirche-koeln.de/verbandsarchiv/

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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