„Wenn es um die Menschenrechte geht, sind wir alle zuständig“: Kundgebung gegen Konzert von Roger Waters

Es gibt eine Menge Leute, die Roger Waters und mehr noch seinen Ansichten die Gastfreundschaft in Köln verweigern. Ein breites Bündnis aus Kirchen, Parteien, anderen Organisationen und Initiativen hat gegen den Auftritt am heutigen Dienstag von Roger Waters in der Kölner Lanxess-Arena protestiert, für das am Vorabend in fast allen Kategorien noch Karten zu haben waren. Das Bündnis hatte am Tag vor dem Konzert zu einer Kundgebung auf den Roncalliplatz aufgerufen. „Zur Demokratie gehört, dass wir Konzerte nicht einfach verbieten können“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Rekers: „Zur Demokratie gehört aber auch, dass sich Widerstand organisiert.“

Waters, 79 Jahre alt und ehemaliger Sänger der legendären Rockband „Pink Floyd“, ist immer wieder durch israelfeindliche und antisemitische Äußerungen aufgefallen. Jüngst ließ er während seiner Konzerte ein Luftballon-Schwein mit einem David-Stern fliegen und in der Luft zerplatzen. Bei einem Konzert in Hamburg vor ein paar Tagen trug das Schwein statt des Sterns das Logo eines israelischen Unternehmens. Waters ist Unterstützer der Organisation Boycott, Divestment and Sanctions (BDS), die einen Israel-Boykott umsetzen möchte.

„Wir machen nicht mit beim Boykottieren“, erklärte Reker unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer. „Wir machen nicht mit, wenn Vergleiche gezogen werden zwischen dem Holocaust und der aktuellen Politik in Israel. Wir wissen, was wir von diesem Konzert zu halten haben: Gar nichts. Abraham Lehrer hat mal zu einem Aufstand der Anständigen aufgerufen“, rief Reker und dann an das Publikum gewandt: „Hier sind sie!“

Lehrer sprach nach der Oberbürgermeisterin. Er ist Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er erinnerte an das Ende des Zweiten Weltkriegs und damit an die endgültige Niederschlagung der NS-Diktatur am Kundgebungstag. „Es gibt aufgrund der Geschichte eine besondere Beziehung zwischen Deutschland und Israel.“ Lehrer verwies darauf, dass die Meinungs- und die Kunstfreiheit im Grundgesetz verankert sei. „Darauf dürfen sich die Antisemiten aber nicht berufen. Denn die Würde des Menschen, die im Grundgesetz als unantastbar festgelegt wurde, steht höher.“ Die Demokratie müsse verteidigt werden: „Nach Außen gegen Russland, nach Innen gegen Leute wie Roger Waters.“ Lehrer forderte gesetzliche Regelungen, um Konzerte gegen Konzerte mit antisemitischen Inhalten zu verbieten. „Wir müssen diese Lücke schließen. Ich möchte ohne Angst vor Antisemitismus in unserem schönen Köln leben.“

„Keine Bühne für Antisemitismus“

Stadtdechant Robert Kleine warf einen Blick zurück. In der Vergangenheit habe es manche Irritationen zwischen den Konfessionen in Köln gegeben. Das habe endlich ein Ende gefunden. Der Roncalliplatz sei ein gut gewählter Kundgebungsort. Erinnere er doch an Papst Johannes XXIII. und das Zweite Vatikanische Konzil, das der Ökumene neue Wege eröffnet habe. Kleine erinnerte daran, dass während der Pogromnacht 1938 3000 jüdische Männer in die Frankfurter Festhalle getrieben worden waren und anschließend deportiert wurden. Das Frankfurter Verwaltungsgericht habe das Waters-Konzert in ebenjener Festhalle erlaubt, nachdem Stadt und Land Hessen ein Verbot hätten erwirken wollen. Waters habe auf die Menschenrechte der 3000 Deportierten verwiesen, sich mit ihnen solidarisiert und sich selbst auf eine Ebene mit Sophie Scholl gestellt. „Das ist unfassbar und geschmacklos“ erklärte der Stadtdechant im Schatten des Doms. Und schloss mit einem Aufruf: „Keine Bühne für Antisemitismus. Keine Bühne für Roger Waters.“

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger warnte eindringlich davor, dass der Antisemitismus schleichend wieder salonfähig werde. Man müsse Entwicklungen wie in den 20er Jahren entschieden entgegen treten. „Wie entsteht Gewalt gegen Menschen? Erst wird daran gedacht, dann wird darüber gesprochen, und dann wird sie ausgeübt. Wir müssen sehr wachsam sein, damit nicht schon wieder die Koordinaten verschoben werden. Wir sind ganz entschieden dagegen, dass wieder ausgesprochen wird, was in Deutschland nicht ausgesprochen werden darf.“ Angesichts der medialen Berichterstattung könne sich heute Abend beim Konzert niemand mehr darauf berufen, er habe nicht gewusst, was ihn erwarte. Man könne auf den Konzertbesuch verzichten, man könne Waters bei antisemitischen Äußerungen auspfeifen oder man könne gehen, wenn es zu antisemitischen Ausfällen während des Konzerts komme, empfahl der Stadtsuperintendent. Bei Waters sei die eigentlich starke Musik von Pink Floyd ein Vehikel, um seinen Antisemitismus zu transportieren. Das sei völlig inakzeptabel.

Brigitta von Bülow, Bürgermeisterin der Stadt Köln, Ratsmitglied der Grünen und Mitbegründerin von „Köln stellt sich quer“, stellte unmissverständlich klar: „Dieses Konzert gehört nicht in unsere Stadt. Wir können und dürfen es nicht ertragen, wenn sich die jüdische Community in unserer Stadt bedroht fühlt. Wir bekennen uns zur Meinungs- und Kunstfreiheit. Aber das ist nicht immer einfach. Der Diskurs ist anstrengend, aber wichtig und nötig.“ Die Stadt habe mit dem NS-Dokumentationszentrum einen wertvollen Schatz. „Anerkennung, Wertschätzung, gegenseitiger Respekt und Haltung zeigen gegen Antisemitismus und Rassismus sind das Gebot der Stunde.“

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), nannte die BDS ein „Chamäleon, das sich besser zu machen versucht als die Terroristen, die sich gegen Israel wenden“. In Wirklichkeit gehe es darum, Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer von der Landkarte zu tilgen. Roger Waters stelle die Existenzberechtigung Israels in Frage. „Er wendet sich damit gegen den Völkerfrieden.“ Man könne nicht alles mit dem Strafrecht regeln. Aber Beck stellte die Argumentation des Frankfurter Verwaltungsgerichts in Frage, das in der Urteilsbegründung gesagt habe, dass nicht zu erwarten sei, dass Waters während des Konzertes in der Festhalle Straftaten begehe. Die Lanxess-Arena sei ein wichtiger Ort für die Kölnerinnen und Kölner. „Wir müssen als Zivilgesellschaft zeigen, dass wir mehr sind als die. Es geht um den Aufstand der Anständigen. Aber es geht ebenso um den Aufstand der Zuständigen. Und wenn es um die Menschenrechte geht, sind wir alle zuständig.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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