VIA REFORMATA: Soirée in der Trinitatiskirche

Der Weg ist wie so oft auch hier das Ziel: An zwölf Stationen kann man die evangelische Historie und Gegenwart des evangelischen Kölns zu Fuß erfahren. Die Via Reformata führt vom Standort der alten Universität in Domnähe bis zur Kartause in der Südstadt und wurde im Herbst 2021 eröffnet. Stadtsuperintendent Bernhard Seiger hat zahlreiche Gäste in der Trinitatiskirche begrüßt, eine der Stationen auf dem Weg, zu einer Soirée mit dem Titel „Die Via Reformata: Reformation zieht Kreise. Eine evangelische Zeitreise durch die Kölner Innenstadt“. Neben Seiger führten Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie und Gerd Maeggi, Referent des Stadtsuperintendent, durch das Programm. Wolf-Rüdiger Spieler begleitete den Abend an der Orgel.

Auf der Via Reformata kann man Menschen, Ereignisse, Gebäude und Stimmungen zwischen dem 16. Jahrhundert und der Gegenwart erfahren und darüber ins Gespräch kommen. „An den zwölf Stationen erleben wir Stärken und Schwächen der Kölner Protestanten. Wir erleben ihr Verhältnis zur Politik. Wir werden hingewiesen auf Irrtümer und Wahrheiten, auf Widersprüche, auf Licht und Schatten. Im besten Fall entdecken wir etwas völlig Neues“, sagte Seiger zu Beginn.

Er verwies auf das kleine Heft, das Erläuterungen zu den Stationen bereit stellt und auf den umfangreichen digitalen Führer. Die Schauspieler Friedhelm Weiss und Günther Heitzmann warfen zuvor Schlaglichter auf die protestantische Historie im Schatten des Doms. Die begann offiziell 1802 mit der Erlaubnis Napoleons, in Köln evangelische Gottesdienste feiern zu dürfen. Doch schon bald danach war die Gemeinde auf 5000 Mitglieder angewachsen. Raummangel war demnach ein Grund für neue Überlegungen. Weitere Motive kamen hinzu, so beispielsweise innere Spannungen. Pfarrer August Hermann Rebensburg schreibt in einer Jubiläumsschrift 1902 über den preußischen König Friedrich Wilhelm IV: „Wo unter seinem Protektorate eben der Anfang gemacht war, den hehren Tempel der Katholiken, den gewaltigen Dom, seiner Vollendung entgegenzuführen“, wollte er „auch für die Evangelischen eine schöne würdige Kirche, einen protestantischen Dom“ erbauen. Das war der Startschuss für den Bau der Trinitatiskirche, die als klassizistischer Bau des Berliner Architekten Friedrich August Stüler entstand.

Kraft und Einigkeit

Da sich das preußische Kaiserpaar mit dem Domkapitel während des „Kulturkampfes“ nicht über das Procedere der Domeinweihung 1880 einigen konnte, feierten die evangelisch-kaiserlichen Herrschaften die Weihe in der Trinitatiskirche. Superintendent Justus Barthelheim ließ es an dem zu jener Zeit üblichen Pathos in seiner Predigt nicht fehlen. „Andächtige, in Jesu Christo geliebte Zuhörer! Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich. Die Freude an dem Herrn sei darum unsere Stärke. Er war mit uns. Ihm sei die Ehre. Im preisenden Aufblick zu ihm, dem allmächtigen und barmherzigen Herrn, feiern wir im Hause, da seine Ehre wohnt, die Vollendung des Cölner Domes als ein verheißungsvolles Symbol deutscher Kraft und Einigkeit. Gott sei Dank, der uns diesen Tag bereitet hat, da wir wohl uns freuen und fröhlich sein können, aber auch beten müssen: Herr hilf, lass wohl gelingen.“

Weiss und Heitzmann erinnerten auch an den evangelischen Pfarrer Georg Fritze, der am zweiten Ostertag 1916 als Pfarrer an der Trinitatiskirche eingeführt wurde und entschlossen gegen den damaligen Geist des Militarismus und die Weltkriegstheologie predigte, dem Ausdruck tiefster Verbundenheit zwischen Thron und Altar. Am 31. Oktober 1917 äußerte sich der Pfarrer öffentlich und seine Worte haben einen aktuellen Bezug: „Wir deutschen Protestanten reichen im Bewusstsein der gemeinsamen christlichen Güter und Ziele allen Glaubensgenossen, auch denen in den feindlichen Staaten, von Herzen die Bruderhand. Wir erkennen die tiefsten Ursachen dieses Krieges in den widerchristlichen Mächten, die das Völkerleben beherrschen, in Misstrauen, Gewaltvergötterung und Begehrlichkeit, und erblicken in einem Frieden der Verständigung und der Versöhnung den erstrebenswerten Frieden.“ Und weiter: „Wir fühlen angesichts dieses fürchterlichen Krieges die Gewissenspflicht, im Namen des Christentums fortan mit aller Entschiedenheit dahin zu streben, dass der Krieg als Mittel der Auseinandersetzung unter den Völkern aus der Welt verschwindet.“

Fritze war während der NS-Zeit Pfarrer an der Kartäuserkirche, wurde aber von der Gemeinde gemeinsam mit den NS-Herrschern aus dem Dienst entfernt.

Streifzug durch die Geschichte des Protestantismus

„Echt abgefahren – Ein zugiger Streifzug durch die Geschichte des Protestantismus in Köln über 12 Stationen mit kölschen Noten“ hatte Professorin Athina Lexutt ihren Vortrag überschrieben. Sie erforscht die Kirchengeschichte an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. „Die Geschichte der Protestanten in Köln zeigt: Totgesagte leben länger! Kommen Sie mit auf eine Reise im ICE der Kölner Kirchengeschichte“, hob sie launig an und flocht in ihren Vortrag immer wieder Refrains bekannter Kölner Karnevalslieder ein. „Adolf Clarenbach, der lutherisch predigt und die Papisten als Gräuel bezeichnet; Peter Fliesteden, der bei der Elevation der Hostie auf den Boden spuckt; Gerhard Westerburg, der sich den Wiedertäufern in Münster anschließt; weitere Täufer – sie alle lassen ihr Leben auf dem Scheiterhaufen, dem Schafott, in der Gefängniszelle.“

Auch Köln hatte protestantische Märtyrer. Aber es habe nach der Reformation auch ein heimlich protestantisches Leben gegeben, das gerade die Herren der Kölner Universität zu verhindern versucht hätten, so Lexutt, das sich dann aber immer stärker Bahn gebrochen habe. Nach der napoleonischen Zeit erhielten die Protestanten die Bürgerrechte und durften sich wirtschaftlich betätigen. Prosperierende Unternehmen wie die Herstatt-Bank und die Zucker-Raffinerie von Carl Wilhelm Joest seien entstanden. Nach Irrungen und Wirrungen zwischen 1914 und 1945 sei man zunächst auf den Adenauer-Zug gesprungen. Aber der Widerstand gegen den Vietnam-Krieg mit Dorothee Sölle an der Spitze habe die Protestanten auf die Straßen getrieben. Wie friedlich sich Katholizismus und Protestantismus in Köln in den Armen lägen, wollte Lexutt mal dahingestellt sein lassen: „Aber das ist Köln: So sin mer all hie he jekumme und Arsch huh und Zäng ussenander und einen Rosenmontagszug mal schnell zu einer Friedensdemonstration umfunktionieren – das ist Theologisieren op kölsche Art.“

Friedenstheologie und Feindesliebe

Über „Im Untergrund, gewissermaßen schwelend präsent – Reformationsimpulse in Köln“ sprachen während eines sogenannten Tischgesprächs, geleitet von Martin Bock, Dr. Matthias Engelke vom Ökumenischen Institut für Friedenstheologie, Professor em. Dr. Siegfried Hermle vom Institut für Evangelische Theologie an der Universität zu Köln und Ulrike Graupner, Pfarrerin der Clarenbach-Gemeinde in Köln-Braunsfeld. Hermle nannte Faktoren, die der Ausbreitung des protestantischen Gedankengutes in Köln entgegen gestanden hätten. „Da war zum einen die wirtschaftliche Situation Kölns, die stark abhängig war vom römisch-katholischen Kaiser. Zudem hat es starke Verflechtungen gegeben zwischen den Kölner Bürgern und den Klerikern, die häufig aus der Stadt stammten. Und dann war da noch die Kölner Universität mit ihrem Antihumanismus. Schon 1522 wurden dort Schriften Luthers verbrannt.“

Ulrike Graupner verwies darauf, dass es im Rheinland vier Kirchen gebe, die nach dem Märtyrer Adolf Clarenbach benannt seien. Der sei auch in ihrer Braunsfelder Kirche präsent. „An ihn erinnern die blutroten Stühle. Und die Kirche hat fünf Fenster, die fünf Märtyrer zeigen.“ Braunsfeld sei überproportional protestantisch. „15 Prozent der Bevölkerung sind im Rheinland der Durchschnitt. Bei uns sind es 22 Prozent.“ Das liege vor allem an der Zuwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg. „Die Menschen kamen aus protestantischen Stammlanden und wollten in der Diaspora ihren Glauben bekennen“, spannte Graupner den Bogen zu Adolf Clarenbach, der für seinen Glauben gestorben sei. Engelke sprach über die Friedenstheologie und die Feindesliebe: „Jesus Christus ist unser Frieden. Der lebendige Jesus ist zwischen uns. Die Gemeinde ist sein Leib.“

In Kontakt mit einer höheren Kraft

Thema eines weiteren Tischgespräches war der lange Weg „Von den Beginen an der Kartause bis zur ökumenischen Spiritualität heute“. Christine Müthrat, Vorstand der Beginen e.V., beschrieb das Zusammenleben der Frauen. „Wir leben Individualität in der Gemeinschaft. Jede von uns hat eine eigene Wohnung. Aber die Gemeinschaft hebt die Einsamkeit auf.“ Die Frauen folgten sozialen und caritativen Impulsen, seien aber auch feministisch und ökologisch engagiert. Der regulären Kirche gehörten die wenigsten Beginen an. Aber vieles sei nebeneinander möglich: Eine Andacht einer katholischen Religionslehrerin hätte ihren Platz genauso wie die Meditation einer Buddhistin. Müthrat: „Das Ziel ist immer das gleiche: Wir wollen in Kontakt kommen mit einer höheren Kraft, mit einer höheren Energie.“

Seiger sprach über die „neue evangelische Spiritualität“: „Jeder kann sich heute seine Lebensform selbst stricken. Aber wo finde ich innerlich Heimat? Wo ist der Grund, auf dem ich stehen kann?“ Da könne man von den katholischen Geschwistern lernen. „Für die evangelische Spiritualität gibt es keine Formel. Sie ist ein Suchen nach Nähe. Die Gemeinschaft ist da ein Bezugsrahmen. Die Gemeinschaft und das Alleinsein müssten gleichermaßen Räume finden.“ Der Stadtsuperintendent verwies auf das Bauprojekt Campus Kartause in Köln. Dort sollen mehrere Bildungs-Institutionen des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region untergebracht werden. Und eine evangelische Kommunität. „Es geht um das individuelle Spüren: Was brauchen wir, was wir nicht selber in der Hand haben?“

www.via-reformata.de

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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