Samuel Dobernecker ist neuer Kreiskantor des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd

„Kirchenmusik möchte das Zuhören fördern, ein genaues Hinhören. Letztlich geht es darum, in Resonanz zu kommen mit dem Wort Gottes.“ Das sagt Samuel Dobernecker. Der Kirchenmusiker schätzt das große Spektrum seines Berufes. In dieser Vielfalt hegt er ein besonderes Interesse auch für zeitgenössische Musik, für „das Neue im Altem, und umgekehrt“. Ebenso am Herzen liegt dem dreifachen Familienvater die Nachwuchsarbeit, das Singen mit Kindern und Jugendlichen sowie interreligiöses Musizieren. 2016 berief die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Bayenthal Dobernecker auf ihre Kantorenstelle. Seit Anfang März 2024 fungiert der 37-Jährige zusätzlich als Kreiskantor des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd.

Damit folgt Samuel Dobernecker auf Barbara Mulack. Die Kantorin der Evangelischen Kirchengemeinde Rodenkirchen wurde bereits auf der letzten Kreissynode von Superintendent Dr. Bernhard Seiger verabschiedet. In sein Amt eingeführt wird Dobernecker im Eröffnungsgottesdienst der Kreissynode des Kirchenkreises Köln-Süd am 8. Juni in der Erzengel-Michael-Kirche auf dem Campus der Diakonie Michaelshoven in Köln-Rodenkirchen.

Geboren in Markneukirchen, einer Stadt im sächsischen Vogtlandkreis, sang er früh in der Kurrende, spielte zunächst Gitarre, Klavier und Saxophon. Im Wettbewerb „Jugend jazzt“ siegte er 2007 mit drei Mitstreitern in der Wertung Jazz-Ensemble. Als Preis winkte ihnen eine CD-Aufnahme im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks. „So kam ich 2008 das erste Mal nach Köln“, erinnert der Absolvent des Sächsischen Landesgymnasiums Sankt Afra zu Meißen. Vor Aufnahme seines Studiums der Evangelischen Kirchenmusik 2006 in Dresden leistete er in der jüdischen Gemeinde im tschechischen Ostrava Zivildienst. „Mich begeistert die Vielfalt der Kirchenmusik“, begründet er seine nie bereute Entscheidung. „Man hat in keinem anderen Beruf eine solche breite Palette von musikalischen Tätigkeitsfeldern.“

Nach dem B-Diplom absolvierte Dobernecker in der Kunst-Station Sankt Peter in Köln ein Praktikum. „2010 kam ich also zum zweiten Mal in die Rheinmetropole.“ Sankt Peter, so empfindet er noch heute, „war für mich wie die Neuerschaffung der Welt“. Die Begegnung mit dem damaligen Organisten Dominik Susteck, die Kirche als Ort der Verschränkung von traditioneller Liturgie und zeitgenössischer Musik sowie der hohe Konzertrhythmus hätten ihn geprägt. „Das hat in mir alle Denkprozesse über Kirche und Musik neu angestoßen“, fasst Dobernecker zusammen. Tatsächlich zog es ihn auch aufgrund der „direkten Nähe zur zeitgenössischen Musik“ für sein Masterstudium (2013 bis 2015) nach Köln. Während und unmittelbar nach dem Studium war er freischaffend an etlichen, auch interreligiösen Projekten beteiligt. So fungierte Dobernecker beim Bach-Verein Köln unter dessen damaligen künstlerischen Leiter KMD Thomas Neuhoff als musikalischer Assistent.

„Wie klingt Gottes Wort in unserer Zeit?“

In der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal bilde Musik einen großen Schwerpunkt, stellt Dobernecker fest. Zum Start seiner Tätigkeit im Kölner Süden 2016 sei zunächst der Wunsch zur Fortsetzung traditioneller Angebote an ihn herangetragen worden. Gleichzeitig habe man sich offen gezeigt für eigene Prägungen des Kantors. Daher könne er dort nach wie vor auch „neue, progressive Dinge, Zeitgenössisches“ ausprobieren. Die Kommunikation mit den beiden Pfarrern und anderen in der Gemeinde engagierten Menschen hat Dobernecker von Beginn an als sehr wertschätzend empfunden. „Ich kann verstehen, dass zeitgenössische Musikkonzerte nicht sofort ansprechend sind. Das war zu keiner Zeit so.“ Aber hundert Prozent nur Wohlklang zu suchen, berge die Gefahr, dass man das Wichtigste überhöre. „Das Wort steht im Zentrum, wir machen das aus dem Wort heraus“, beschreibt er die Aufgabe eines Kirchenmusikers, einer Kantorin. Das sei immer deren Auftrag gewesen: „Wie klingt Gottes Wort in unserer Zeit? Dort, wo wir nur Tradition vertonen, machen wir es uns zu leicht.“

In der Reformationskirche in Marienburg genieße er den Luxus einer generalsanierten und erweiterten Peter/Späth-Orgel, so Dobernecker. Angestoßen habe die Überholung sein Vorgänger Marc Jaquet. Nun sei das Instrument sehr gut geeignet zur Aufführung ganz verschiedener Stücke und Stile. Und Dobernecker macht davon Gebrauch. Sei es mit Konzerten zu Stummfilm-Klassikern, in denen die Musik nicht illustrativ, sondern eigenständig auftritt. Sei es mit jährlichen Interpretationen zeitgenössischer Kompositionen. Oder sei es mit einem „Silent Voices“-Konzert, in denen Dobernecker als Kurator und Musikalischer Leiter mit Solisten, einem Projektchor und Instrumentalensemble „barocken Wohlklang und vertonte Stille“ in die Reformationskirche trug.

Chor-, Orchester- und Kammer-Konzerte

Darüber hinaus leitet der Kirchenmusiker in seiner Gemeinde regelmäßig Chor-, Orchester- und Kammer-Konzerte. Zu verdanken ist ihm dort auch der Aufbau eines mittlerweile dreistufigen Kinderchores. Alle zwei Jahre führt er in Marienburg zu Karfreitag ein großes Konzert mit zeitgenössischer Musik auf. Zuletzt mit Tänzerinnen und zwei Kölner Komponisten. Das sei stets auch eine Herausforderung: „Glauben wir daran, dass die Botschaft des Evangeliums heute genauso relevant und aktuell ist wie zur Zeit Bachs?“

Dobernecker sieht in seinem Amt als Kreiskantor einen großen Gestaltungs(spiel)raum. Im Gespräch zeigt er sich motiviert, die Suche danach mitprägen zu wollen, wie Kirche und christliches Leben heute in der Großstadt aussehen können: „Wie ist das heute möglich, was heißt das?“ Bilder und Antworten aus der Vergangenheit stünden vor uns. „Aber was machen wir aktuell. Wie beantworten wir die gleichen beziehungsweise neuen Fragen heute? Heute, in einer Gesellschaft, die Gott vielleicht weniger nennt, aber nicht weniger sucht.“

In den letzten Jahren habe er mit seiner Vorgängerin Barbara Mulack und anderen Kantorinnen/Kantoren im Kirchenkreis Projekte durchgeführt, die über einzelne Gemeinden weit hinausgegangen seien. Auch ökumenisch, nennt er beispielsweise „Kirche macht Schule“ zum 10. Ökumenischen Kirchenmusikfestival „Psalmtöne“. Innerhalb des Projekts für Grundschulkinder hätten schließlich zehn Kölner Schulklassen in verschiedenen Kirchen ein Musiktheaterstück mit neu gedichteten Psalmliedern aufgeführt. Und 2021, im Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, habe man im Kirchenkreis Konzerte mit jüdischer Chor- und Orgelmusik veranstaltet.

Für den Kreiskantor ist es wesentlich, „dass wir als Evangelische Kirche nicht nur an das Schrumpfen denken, sondern zum Wachsen berufen sind“. Dass wir in der Gesellschaft das vermittelten, „wofür wir stehen, was wir glauben und die Menschen von uns erwarten“. Wichtig für ihn sei, „dass wichtige Arbeit gemacht wird; dass wir dorthin gehen, wo wir gebraucht werden“. So gebe es an vielen Grundschulen keine Musiklehrerinnen und -lehrer. Das verleihe dem Projekt „Kirche macht Schule“, das er gerne fortführen möchte, eine noch größere Bedeutung. Entsprechend wolle er im Kirchenkreis gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in Schulen gehen, Kinder und Familien ansprechen.

„Eine Kirche des Wortes und des Zuhörens“

Viele Eltern gingen auf Distanz zur verfassten Kirche. Es seien gute Ideen notwendig, um auch diese Menschen zu erreichen. „Wir sind eine Kirche des Wortes, aber es darf nicht beim Reden bleiben. Wir sollten auch eine Kirche des Zuhörens sein.“ Dobernecker glaubt, dass viele Menschen auf etwas warteten, „das sie mit unserer Kirche zusammenbringen. Es ist an uns, diesem Warten unser Ohr zu schenken.“ Denn „Musik ist das, womit man das Zuhören einübt: das genaue Hinhören. Das ermöglicht, auf das Wort Gottes letztendlich in Resonanz zu kommen.“

Gerne würde er zu einem Mehr an ansprechenden Jugendgottesdiensten beitragen. „Auch sollten wir als Chöre rausgehen, unseren Rahmen erweitern, etwa in Form von Flashmobs. Das tut uns selber gut“, mangelt es ihm nicht an Ideen für weitere Aktionsfelder. „Kirche, die nur für sich selber da ist, wird eher verzagter“, befürchtet Dobernecker. Dagegen gewinne Kirche, die nach außen gehe. „Ich glaube, dass wir oft gute Arbeit machen, aber teilweise damit überfordert sind, diese über Gemeindegrenzen zu tragen und fruchtbar zu machen für viele. Ein solch positives Beispiel sieht er im 2022 vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region gefeierten Kölner Tauffest am Rhein. Unter dem Motto „Vielfalt feiern“ hätten sich fasst 200 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Öffentlichkeit taufen lassen. Die Musik im Gottesdienst verantwortete Dobernecker.

Wichtig sei ihm, ins Gespräch zu kommen mit Kolleginnen und Kollegen ebenso über gemeinsame Konzertformate, Aktionen, Flyer. „Ich möchte in jedes Presbyterium gehen, es befragen, was Gemeinden benötigen an Kirchenmusik.“ Mit den gemeindeeigenen Ressourcen seien die Vorstellungen häufig nicht einfach umzusetzen. „Es gibt Gemeinden, die sich einen hauptamtlichen Musiker nicht leisten können. Daher sehe ich meinen Auftrag als Kreiskantor auch darin, dort mit Konzepten und Mitteln hineinzugehen und zu helfen.“ Schon Barbara Mulack habe in ihrer Amtszeit mit Beharrlichkeit eine solide, starke Einstellungsstruktur ermöglicht. „Kirchenmusik ist immer auch eine Leitungsaufgabe. Zuständig dafür ist jeweils das Presbyterium“, stellt Dobernecker fest – und wiederholt sein Unterstützungsangebot.

Unter der Internetadresse https://www.kkk-sued.de/personen/kreiskantor/ findet sich aufgelistet die gesamte Bandbreite der mit dem Kreiskantorat verbundenen Aufgaben. Dazu zählt auch die „Vorbereitung der Fusion der drei linksrheinischen Kirchenkreise in 2026 auf der kirchenmusikalischen Ebene“.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

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