Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe für das „Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche“

Große Anerkennung und Würdigung der Arbeit erfuhr das „Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche“: Superintendentin Susanne Beuth verlieh in der Christuskirche Vertretenden des Netzwerks die Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre vom Kirchenkreis Köln-Mitte vergeben und ist nach dem Pfarrer Georg Fritze benannt, der sich den Nazis widersetzte und deshalb aus seinem Amt an der Kartäuserkirche entfernt wurde.

Jahrzehntelange Tradition des Kirchenasyls

Synodalassessorin Miriam Haseleu, Pfarrerin in Nippes, und Christoph Rollbühler, Pfarrer an der Christuskirche, begrüßen die Gäste. Rollbühler erinnerte daran, dass das Kirchenasyl in seiner Gemeinde eine jahrzehntelange Tradition hat. Auf die Historie des Kirchenasyls ging Bürgermeister Andreas Wolter ein. Schon im Tempel in Jerusalem habe man Menschen aufgenommen, die Schutz suchten. „Diese Jahrhunderte alte Tradition gibt dem Kirchenasyl viel Kraft.“

Das Netzwerk gibt es seit 31 Jahren. Und die Zahl der Härtefälle werde nicht geringer. Das liege auch daran, „dass das Ausländeramt am absoluten Limit arbeitet“. Die allermeisten Geflüchteten wollten arbeiten und Teil der Gesellschaft sein, betonte der Bürgermeister. Gerade nach dem Attentat von Solingen müsse man sagen: „Opfer sind auch die Geflüchteten, die Integration wollen. Ich schäme mich für die Ministerien, die sich von Xenophoben vor sich hertreiben lassen. Ich wünsche mir in der Debatte weniger Hysterie und mehr gesunden Menschenverstand.“

Zahl der Kirchenasyle hat zugenommen

Rafael Nikodemus sprach ein zweites Grußwort. Er ist Kirchenrat im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Als theologischer Dezernent in der Abteilung III (Ökumene, Mission, Religionen) ist er zuständig für die Arbeitsbereiche Christen und Muslime, Innereuropäische Ökumene und Catholica. Er nannte die Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe eine wichtige Anerkennung der Arbeit. Das Kirchenasyl sei eine Basisbewegung und immer eine Basisentscheidung in den Gemeinden. „Das Netzwerk und die Landeskirche haben in den vergangenen Jahren gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet.“ Und weiter: „Politisch weht uns der Wind ins Gesicht. Es herrscht ein hoher Abschiebedruck. Das Asylrecht soll verschärft werden. Die Zahl der Kirchenasyle hat zugenommen. Gründe sind Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Grenzen. Dort wird das Recht an die Praxis angepasst und nicht wie sonst üblich die Praxis an das Recht.“

Die Anfragen wegen Kirchenasyl übersteige bei weitem, was die Gemeinden zu leisten in der Lage seien. Das Kirchenasyl sei eine Zone am Rande des Rechtsstaats. „Dessen große Stärke ist, dass er solche Korrekturen aushält. Die Kirchenleitung unterstützt Kirchenasyle vorbehaltlos. Das ist eine ganz wichtige humanitäre Arbeit.“

Homeira Ayobi: „Ich hatte große Angst, dass ich zurückmusste. Es galt: Bleiben oder Tod“

Homeira Ayobi ist vor sechs Jahren von Afghanistan nach Deutschland geflohen. Sie fand Unterschlupf im Kirchenasyl in der Thomaskirche im Agnesviertel. Sie hat mittlerweile den Führerschein gemacht, eine eigene Wohnung gefunden und eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen. „Ohne dieses Netzwerk wäre ich nicht hier. Ich hatte große Angst, dass ich zurückmusste. Es galt: Bleiben oder Tod. Ich bedanke mich, ist ein viel zu kleines Wort.“

„Kirchenasyl ist kein rechtsfreier Raum“

Thomas Kutschaty, Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag und Staatsminister a.D., hielt die Laudatio. Er erinnerte daran, dass Georg Fritze Mitglied der SPD war: „Ich bin stolz, dass wir Menschen wie Georg Fritze als Mitglieder in der SPD hatten. Sie geben der Sozialdemokratie ihre Identität, sind Vorbild und verpflichten nachfolgende Generationen.“ Als Jurist und ehemaliger NRW-Justizminister nahm Kutschaty zunächst eine rechtliche Einordnung vor: „Das Kirchenasyl ist nicht explizit rechtlich normiert. Es ist jedoch ein Gewohnheitsrecht mit christlich-humanitärer Tradition. Bei diesem geht es übrigens nicht darum, jemandem endgültig Asyl in Deutschland zu gewähren. Sondern darum, diesen Menschen den Zugang zum deutschen Asylverfahren zu eröffnen. Ein großer Unterschied. Kirchenasyl ist kein rechtsfreier Raum.“

„Kirchenasyl gibt den Menschen Hoffnung“

Der Minister a.D. erklärte, er sei ein kritischer römisch-katholischer Christ. „Das Thema „Flucht“ ist schon früh im Alten Testament durch die Flucht des Stammes Israel aus der Sklaverei in Ägypten verwurzelt. Im Buch Levitikus werden dann auch die christlichen Lehren aus dieser Vergangenheit gezogen: „Und wenn ein Fremdling bei dir weilt in eurem Lande, so sollt ihr ihn nicht bedrücken. Wie ein Eingeborener unter euch soll euch der Fremdling sein, der bei euch weilt, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn Fremdlinge seid ihr gewesen im Lande Ägypten.“

Entscheidend sei die Menschenwürde, die laut Kant jeder Mensch aufgrund seines Menschseins besitze. Man könne sie nicht verlieren. „Kirchenasyl gibt den Menschen Hoffnung. Wie oben geschrieben: Es geht hier aber nicht um rechtsfreie Räume. Es geht darum, Zeit zu gewinnen, bevor unwiderrufbare Fakten durch eine Abschiebung geschaffen werden. Zeit für eine eingehende Prüfung der Fälle und weitere Verhandlungen mit den Behörden. Und zwar für Menschen, denen durch eine Abschiebung Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen, oder für die mit einer Abschiebung nicht hinnehmbare humanitäre Härten verbunden sind.“

Migration: Gegen Fluchtursachen vorgehen

Der Druck auf das Kirchenasyl wachse in dem Maße, in dem die gesellschaftliche Stimmung, das Miteinander vergiftet würden. „Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Natürlich müssen wir auch über Migration reden. Wir müssen auch darüber reden, wie wir sie regeln. Wir müssten auch mal wieder darüber reden, wie wir sie vermeiden, indem wir gegen Fluchtursachen vorgehen. Hier müssen wir uns aber auch fragen, inwieweit unser Wohlstand auf der Armut in anderen Ländern gebaut ist.“ Und an die Preisträger gewandt: „Die Flüchtlinge sind keine Zahlen, sie sind Personen: Sie sind Gesichter, Namen, Geschichten – und als solche müssen sie behandelt werden. Ich bin mir sicher, dass Ihre Arbeit, insbesondere der letzte Punkt, selten so schwer war wie heute. Deshalb nehmen Sie den heutigen Tag, diesen Preis und auch die vielen Menschen, die sich hier mit Ihnen solidarisch machen, auch einmal als Selbstvergewisserung, dass Sie nicht alleine sind und etwas Richtiges und Wichtiges tun.“

Jan Henkel und Jan Niklas Collet sprachen für das Netzwerk. Henkel berichtete, dass es in Deutschland im vergangenen Jahr 2000 Kirchenasyle in Deutschland gegeben habe, davon 600 in Nordrhein-Westfalen. Wer nach dem Dublin-Verfahren in andere europäische Länder verwiesen werde, erlebe dort meistens katastrophale Bedingungen. Wer sich allerdings sechs Monate in Deutschland aufhalte, habe ein Recht darauf, dass sein Asylantrag dort bearbeitet werden. Die Kirchenasyle seien für die Überbrückung der sechs Monate sehr wichtig.

„Mit dem Kirchenasyl werden wir die Welt nicht retten. Aber wir können sie ein Stück gerechter machen“

„Angesichts des Relevanzverlustes der Kirchen wird das mit dem Kirchenasyl nicht besser“, befürchtet Henkel. Collet berichtete von sieben Räumungen von Kirchenasylen in diesem Jahr. „Das sind mehr als im vergangenen Jahrzehnt zusammen.“ Er berichtete auch, dass man ein sogenanntes Dossierverfahren eingeführt habe, um pragmatische Lösungen für Härtefälle zu finden. Das Netzwerk erläutere in Dossiers, warum Geflüchtete dringend Schutz in Deutschland bekommen müssten. 2016 habe man viele positive Entscheidungen von Behörden erlebt. „Seit 2018 wurde kein Dossierverfahren mehr positiv entschieden.“ Henkel nannte das Dublin-Verfahren ein „menschenverachtendes System der Verantwortungslosigkeit, das einen regelrechten Abschiebezirkus inszeniert“. Abschiebung dürfe niemals eine Strafe sein. „Mit dem Kirchenasyl werden wir die Welt nicht retten. Aber wir können sie ein Stück gerechter machen.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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