Nachrichten von der Herbstsynode des Kirchenkreises Köln-Süd

Zwei vergrößerte Schwarz-weiß-Fotos waren am Altar der Erzengel-Michael-Kirche in Michaelshoven zu sehen. Sie zeigten zwei jüdische Mädchen aus dem Gebiet des heutigen Kirchenkreises im Jahr 1938. Nur eines von beiden hat den Zweiten Weltkrieg überlebt, es musste ins Exil. Das andere wurde unmittelbar nach seiner Deportation ins Konzentrationslager in einem Wald erschossen. Es wurde acht Jahre alt. Wie konnte es sein, dass damals aus dem Kreis der Evangelischen Kirche niemand den Mund aufgetan hat? Wie können wir heute aus dem Geschehenen Zivilcourage lernen? Diese drängenden Fragen, die wohl niemals an Aktualität verlieren werden, stellte der Gottesdienst zur Eröffnung der Kreissynode Köln-Süd, die am 75. Jahrestag der Reichspogromnacht begangen wurde. Er wurde von einem Team der Friedenskirchengemeinde in Erftstadt gehalten und stand unter dem Motto „Tu deinen Mund auf für die Stummen.“ Die Kollekte war für die Amadeu Antonio Stiftung vorgesehen, die Aktionen gegen Rechtsradikalismus fördert.

Stimme für die Stummen
Superintendent Dr. Bernhard Seiger warb dafür, die Stimme für die Stummen zu erheben – heute insbesondere mit Blick auf die Flüchtlinge aus Syrien, dem Nahen Osten und dem nördlichen Afrika. „Ich werbe dafür, in den Gemeinden über eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu sprechen und dann, wenn vor Ort Unterbringungen erfolgen, zu überlegen, wie man über Besuche und Einladungen den Menschen freundlich, ermutigend und hilfreich begegnen kann.
Das Herz der Kirche
Er verdeutlichte in seinem Bericht auf der Kreissynode des Kirchenkreises Köln-Süd im Berufsförderungswerk Michaelshoven, dass der Kirchenkreis entschlossen ist, sich nach der notwendigen Selbstbeschäftigung der vergangenen Jahre, dem Ringen um eine moderne Struktur und nachhaltige Finanzen, nunmehr wieder verstärkt inhaltlichen Fragen der Kirche zu widmen. „Die Verkündigung erfolgt nicht neben den Dingen und dann, wenn noch Zeit für sie bleibt, sondern sie ist das Herz der Kirche Jesu Christi“, betonte Seiger. Ein Instrument soll hierfür das überregionale Projekt „Erwachsen glauben“ sein, das im ersten Halbjahr 2014 mit Veranstaltungen in etwa zwei Dritteln der Gemeinden des Kirchenkreises angeboten wird. „Wir kümmern uns damit um Menschen, die auf der Suche nach einer für sie passenden Glaubenssprache und nach dem Austausch über Inhalte sind“, erläutert Seiger den missionarischen Aspekt des Projektes: „Wir richten uns an Menschen, die nicht schon im regelmäßigen Fokus unserer Arbeit stehen, und weiten unseren Blick für die Bedürfnisse unterschiedlicher Milieus.“ Und, so fügt Seiger hinzu, „wir leben im Bereich des Kirchenverbandes an dieser Stelle sehr sichtbar, dass wir uns nicht nur mit uns befassen, sondern dass wir rausgehen und Menschen etwas Neues für ihre Suche anbieten.“

Superintendent Seiger ruft zur Fokussierung auf
Fast schon dominiert hat die Diskussion der vergangenen Jahre der Diskurs über die Finanzen der Kirche. So war es passend, dass mit Oberkirchenrat Bernd Baucks der Leiter der Abteilung Finanzen als Abgesandter der Rheinischen Landeskirche zur Synode kam, um in seinem Grußwort nicht zuletzt über die neusten landeskirchlichen Anstrengungen hinsichtlich eines zukunftsorientierten Haushalts zu informieren. Baucks wusste hierbei, dass die Investitionen in die Neuordnung des kirchlichen Finanzwesens bislang noch kaum für spürbare Verbesserungen in den Gemeinden gesorgt hat: „Die Früchte hängen hoch“. Zugleich verdeutlichte er, dass die Landeskirche gerade in Zeiten solider Einnahmen die Weichen stellen möchte, um strukturelle finanzielle Schieflagen zu beheben: „Wir wollen bis 2018 den landeskirchlichen Haushalt um 35 Prozent kürzen“.
Dies führt selbstverständlich zur Folgefrage, an welcher Stelle denn gekürzt werden soll und kann. Hierzu stellte Superintendent Dr. Bernhard Seiger in seinem Bericht vor der Kreissynode des Kirchenkreises Köln-Süd fest, dass ein solches Vorhaben „sich nicht mehr durch lineare Kürzungen in den einzelnen Abteilungen und Dezernaten erreichen“ lasse, sondern „durch Aufgabe ganzer Bereiche und Einrichtungen erbracht werden“ müsse. Die Synode beschloss dazu mit großer Mehrheit, dass die Landessynode die Auflösung der Kirchlichen Hochschule Wuppertal prüfen solle, weil die Ausbildung des theologischen Nachwuchses auch durch die theologischen Fakultäten an staatlichen Hochschulen gewährleistet werden könne und hier hohe Einsparungen zu erzielen sind.

Ein zeitgemäßes Pfarrbild
Die Notwendigkeit, Kernbereiche der Arbeit zu definieren, sieht Seiger auch bei der Frage nach einem zeitgemäßen Pfarrbild. Dieses habe sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert, wobei etliche Aufgaben „additiv hinzugefügt“ wurden, aber, so Seiger bedauernd, „oft ohne dass es gelingt, Prioritäten zu definieren und bisherige Arbeitsbereiche aufzugeben oder funktional neu aufzuteilen“. Dies führt zu Überforderungen und Unsicherheiten, deshalb müssen die Erwartungen geklärt werden. „Damit die Kirche ihrem biblischen Auftrag und ihrer Aufgabe als Arbeit- und Dienstgeberin mit Fürsorgepflicht gerecht wird, muss sie sagen, was sie künftig vom Pfarramt erwartet und was nicht.“ Beheben lässt sich das Problem der fehlenden festen Arbeitszeiten, wechselnden Arbeitsschwerpunkte oder unvorhersehbarer Herausforderungen jedoch nie vollständig, denn, wie Seiger meint: „Das Pfarramt lebt auch von einer Ganzheit, die das persönliche Leben einschließt.“ Arbeit nach Vorschrift wird es in dem Beruf nicht geben können.

Entscheidung über den „Kölner Weg“ in der Verwaltungsstrukturreform
Auf Landeskirchenebene ist 2012 eine Verwaltungsstrukturreform beschlossen worden, derzufolge die Verwaltungsbereiche mit den Kirchenkreisgrenzen übereinstimmen sollen und in dem gemeinsamen Verwaltungsamt die Verwaltung der Kirchengemeinden, der kreiskirchlichen Einrichtungen sowie der Superintendenturen in der Trägerschaft des Kirchenkreises zusammenzufassen sind. In den Kölner Kirchenkreisen regte sich hierbei Bedenken, da man die Position der Gemeinden gestärkt sehen und somit organisatorisch deren Verwaltung von der Kirchenkreisverwaltung getrennt sehen wollte. Nach intensiven Verhandlungen gab es nun einen Kompromiss mit der Landeskirche. Die Kreissynode Köln-Süd beschloss ohne Gegenstimme einen Ausnahmeantrag zur Einrichtung eines Evangelischen Gemeinde- und Kirchenkreisverbands Köln-Süd/Mitte, in dem die Kirchenkreise Köln-Süd und Köln-Mitte, sämtliche Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd sowie zwei Gemeinden des Kirchenkreises Köln-Mitte verwaltet werden.

Begrenzung der Verwaltugskosten
Bei Würdigung des ausgehandelten Kompromisses, formulierte insbesondere Jürgen Schaufuß, Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen sowie als ehemaliger Bürgermeister der Stadt Frechen in Verwaltungsfragen ein Experte, Bedenken gegen die Struktur und die rechtliche Rahmenbedingungen der neuen Verwaltung. Hintergrund ist hierbei in nicht unbeträchtlichem Maß verlorenes Vertrauen bei der Einführung vergangener Verwaltungsneuerungen, etwa des NKF. „Bei der Umstellung auf NKF war mit ursprünglich 2 oder 3 Millionen Euro gerechnet worden“, erinnerte Schaufuß: „Heute sind es schon 18 Millionen Euro!“ So ließ das Presbyterium der Kirchengemeinde Frechen nachfragen, ob die Reform nicht einen Umbau von oben nach unten bedeute, bei dem Gemeinden und Presbyterien Verantwortung entzogen werde. Es wurde durch den Vorstand klargestellt, dass dies für die grundlegenden Entscheidungsrechte zu Personal, Finanzen und Gebäuden nicht der Fall sei. Schaufuß regte an, einen bestimmten Prozentsatz für Verwaltungskosten zu verankern, um die Entstehung von „Superbehörden“, die letztlich aber nur ein Verwaltungswasserkopf sind, zu verhindern. Die Synode teilte viele Bedenken und beauftragte den Kreissynodalvorstand, im Gespräch mit dem Presbyterium Frechen geeignete Wege zu finden, um in der Landeskirche eine Begrenzung der Verwaltungskosten zu erreichen.

Diskussionen über eine evangelische Familienethik
Thema auf der Herbstsynode des Kirchenkreises Köln-Süd war auch die im Juni 2013 vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland publizierte und viel diskutierte „Orientierungshilfe“ „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“. Superintendent Seiger betonte in seinem Jahresbericht, dass sich seiner Meinung nach „die Beschäftigung mit der Schrift lohnt, weil sie sich einem zentralen Thema des Zusammenlebens widmet. Reflektiert werden die Lebenswirklichkeit von Ehe und Partnerschaft in unserer Zeit, die Formen, in denen Kinder groß werden und die wachsende Aufgabe, für Kranke und Pflegebedürftige da zu sein.“

„Woran orientiert sich evangelische Ethik?“
Bei allem Lob dafür, dieses wichtige Thema in den öffentlichen Diskurs gebracht zu haben mitsamt dem Ergebnis, dass, so Seiger, „eine nachhaltige Veränderung in der Lebenspraxis und in der Folge in der Gesetzgebung zur Anerkennung eines erweiterten Familienbegriffs führt, der nicht nur die traditionelle Kleinfamilie, sondern auch alternative Lebensformen unter den institutionellen Schutz des Grundgesetzes stellt“ – auch die Schwachpunkte fallen schnell ins Auge. „Sowohl von weltlichen Presseorganen wie von katholischen Bischöfen als auch von evangelikalen und einigen lutherischen Theologen ist die Schrift wegen ihrer theologischen Begründungen kritisiert worden, die in der Tat an vielen Stellen eher schwach daher kommen“, erläutert Seiger: „Es wird ein Schwenk in der Eheethik vollzogen, der nicht als solcher begründet wird.“ Dies führt zu diversen Missverständnissen: „Die Schrift versteht sich als familienpolitisch, aber sie benennt die umstrittenen theologischen Fragen nicht als solche, wodurch die Missverständnisse provoziert werden. Die Frage bleibt zu stellen: Woran orientiert sich evangelische Ethik?“ Diese darf, fordert Seiger, bei einem solchen Thema kein Randaspekt sein: „Der Verdacht lässt sich nicht von der Hand weisen, dass mit Rücksicht auf gesellschaftliche Entwicklungen jeder Versuch der Formulierung ethischer Positionen unterlassen wird, so dass der Eindruck entsteht, evangelische Ethik sei lediglich ein Reflex auf geänderte Wirklichkeit.“ Dies sei, führt Seiger aus, nicht angemessen: „Die EKD darf das reformatorische Schriftprinzip nicht preisgeben, sondern muss in gründlicher historisch-kritischer Art mit Verantwortung vor dem Ganzen der Schrift Textarbeit betreiben und durchaus Spannungsreiches thematisieren.“ Seiger verwies jedoch auch schon darauf, dass die EKD das Problem erkannt und auch schon gehandelt hat, etwa bei einem Theologischen Symposion im vergangenen September in Berlin, wo, hofft Seiger der „Weg zu einer solchen Diskussion, die auch theologisch vertieft geführt wird, begonnen“ hat.

Haushaltsplan des Kirchenkreises Köln-Süd im Jahr 2014
Einstimmig bei einer Enthaltung beschloss die Kreissynode Köln-Süd für den Evangelischen Kirchenkreis Köln-Süd für das Haushaltsjahr 2014 in der Ergebnisplanung Erträge von 583.918,06 Euro bei Aufwendungen von 595.961,59 Euro. Dies bedeutet hinsichtlich der Kapitalflussplanung Einzahlungen und Auszahlungen in Höhe von 1.406.276,00 Euro.
Das Haushaltsjahr 2012 wurde mit Einnahmen von 1.833.888,16 Euro sowie Ausgaben von 1.676.199,32 Euro abgeschlossen. Bei einer Gegenstimme beschloss die Synode, den Überschuss von 157.688,84 Euro für sieben verschiedene Zwecke zu verwenden: Der Zuführung zur freien Rücklage des Kirchenkreises für die Kosten der Verwaltungsstrukturreform und der Kirchenmusik kommen je 30.000,- Euro zugute. 80.000,00 Euro bilden eine Rücklage für energiesparende Maßnahmen in den Kirchengemeinden. Mit 3.500,- Euro werden jeweils die Projekte girlspace, Ekupholeni/Sofiatown, der Förderverein „AusWege“ der Evangelischen Beratungsstelle sowie der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd bedacht. Mit 3.688,84 Euro werden verschiedene Projekte aus der Projektliste 2013 des Gustav-Adolf-Werkes unterstützt.

Die Synode setzt sich zusammen aus 82 stimmberechtigten Mitgliedern, von denen 76 anwesend waren.

Stichwort: Kirchenkreis Köln-Süd
Der Kirchenkreis Köln-Süd umfasst insgesamt 17 Gemeinden: Brüggen/Erft, Brühl, Frechen, Horrem, Matthäus-Kirchengemeinde Hürth, Johannes-Kirchengemeinde Hürth-Gleuel, Kerpen, Köln-Bayenthal, Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal, Köln-Rodenkirchen, Köln-Zollstock, Lechenich, Liblar, Rondorf, Sindorf, Sürth-Weiß und Wesseling. Hier leben etwa 69.000 Gemeindeglieder.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Anselm Weyer