Minister Karl-Josef Laumann sprach beim Jahresempfang: Motto des Abends war der „Beitrag der Diakonie für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“
Bis auf den letzten Platz besetzt war die Kartäuserkirche, als Stadtsuperintendent Bernhard Seiger die Gäste zum Jahresempfang des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region begrüßte. Wie immer waren zahlreiche Vertretende von Politik, Verwaltung und Institution unter den Gästen. Gekommen waren unter anderem Vertretende der Jüdischen Synagogengemeine, unter anderem Abraham Lehrer, Bettina Levi und Dr. Felix Schotland, Vorsitzende der Ratsfraktionen, die Kämmerin Professor Dr. Dörte Diemert, Bürgermeisterin Brigitta von Bülow und Vertreter des Arbeitskreises Christlicher Kirchen in Köln. Musikalisch begleitet wurde der Abend von „Con Spirito“, dem Ensemble des Posaunenwerkes Rheinland, unter der Leitung von Jörg Häusler. Der Empfang stand unter dem Motto „Der Beitrag der Diakonie für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“. „Die Freie Wohlfahrtspflege ist eine feste Säule im Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland. Die christlichen Verbände Diakonie und Caritas arbeiten in dieser partnerschaftlichen Gemeinschaft mit den öffentlichen Sozialleistungsträgern. Gemeinsames Ziel sind passgenaue soziale Unterstützungsangebote“, hieß es weiter in der Einladung.
„Vom Einstein des Staatsrechts Böckenförde stammt der kluge Satz: ,Der freiheitliche, säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann`“, erklärte Seiger. Dazu gehöre eine christliche Haltung des Dienstes für das Gemeinwohl. Dazu gehörte aber vor allem hunderttausende Mitarbeitende in Pflege- und medizinischen Berufen, die oft in kirchlichen Krankenhäusern, in diakonischen und karitativen Einrichtungen tätig seien. Dort leisten hoch motivierte Menschen vom Ausbildungsalter bis ins Rentenalter treue Dienste, ihnen geht es um die Menschen.
„Dort wird das gelebt, was unser christlicher Glaube mit Nächstenliebe beschreibt,“ fuhr Seiger fort. Es gehe nicht nur darum, soziale Dienstleistungen zu erbringen, zum Beispiel in Kindertagesstätten und in der Geflüchtetenarbeit, die dann vom Land und den Kommunen mehr oder weniger refinanziert würden. Sondern es gehe auch um die passgenaue Organisation der Arbeit, um qualitätvolle Ausbildung und berufliche Weiterbildung, um Gewinnung von Fachkräften, um die Prägung einer Haltung des Dienstes und eine wache Anpassung an jeweils neue Anforderungen: seien es Schutzkonzepte, oder Anforderungen der Inklusion, der Bekämpfung von Rassismus und der Förderung von Diversität und Partizipation.
„Solidarität und Eigenverantwortung sind die Schlüsselworte“
Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, war Gastredner beim Jahresempfang des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Er sprach über das Motto des Empfangs, den „Beitrag der Diakonie für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“. Das Diakonische Werk Köln und Region besteht in diesem Jahr seit 100 Jahren. Laumann erklärte, er sei froh, dass die sozialen Leistungen traditionell in Deutschland nicht in erster Linie vom Staat geleistet würden, sondern von selbst verwalteten Sozialversicherungen. Das sei schon in der Weimarer Republik so gewesen. „Der Staat tritt nur dann als Akteur in Erscheinung, wenn man niemanden anderen findet. Und wir haben die Wohlfahrtsverbände mit ihren unzähligen Einrichtungen, mit den Haupt- und Ehrenamtlichen. Solidarität und Eigenverantwortung sind die Schlüsselworte. Ohne die Strukturen der Verbände wäre Sozialpolitik nicht zu machen.“
Laumann erklärte, er sei fest davon überzeugt, dass diese Idee ohne die christliche Soziallehre undenkbar sei. Der Minister erinnerte an das Gebot der christlichen Nächstenliebe, in deren Geist Diakonie und Caritas ihre Arbeit leisten würden. „Wir finden so eine Antwort auf die Frage, wie wir eine Gesellschaft gestalten, die auch in diesem Leben das Dasein lebenswert macht.“ Das Versprechen der 50er Jahre, „Wohlstand für alle“, sei heutzutage eingelöst. Daran sei die Sozialpolitik maßgeblich beteiligt.
Aber die Wohlfahrtsverbände, auch die christlichen, wüssten, dass es Strukturen brauche für Solidarität und Eigenverantwortung. Ohne Strukturen könne man der Verantwortung für die Menschen nicht gerecht werden. Für alle Träger würden die gleichen Spielregeln gelten. Und dennoch sei die soziale Landschaft unterschiedlich. Bei der Diakonie und der Caritas treffe man auf andere Charismen als bei anderen Trägern. „Das würden wir als Staat nie hinkriegen“, so Laumann.
„Wir haben eine extreme Misstrauenskultur in unserem Sozialstaat“
Dank der Nähe zu den Menschen hätten die Mitarbeitenden Träger eine große Sensibilität beim Aufspüren von Problemen. Staatliche Institutionen hätten diese Nähe nicht. Dennoch gebe es ein Problem: Der Fachkräftemangel: „Es ist einfach, einen Investor zu finden, der ein Pflegeheim mit 80 Betten baut. Und es ist einfach, 80 Bewohner zu finden. Aber wir haben ganz große Probleme, die 100 Pflegekräfte zu finden, mit denen man das Heim betreibt.“ Laumann plädierte für Bürokratieabbau. „Wir haben eine extreme Misstrauenskultur in unserem Sozialstaat. Überall Kontrolle, Dokumentation und Bürokratie. Den Pflegekräften wird immer mehr Zeit genommen, das zu tun, wofür sie ihren Beruf ergriffen haben.“ Laumann plädierte für eine höhere „Vertrauenskultur“. Allerdings müsse man dann damit umgehen, dass es in Einzelfällen zu Fehlern komme.
Der Minister ist nach eigenen Worten froh, „dass es noch Menschen gibt, die kein erotisches Verhältnis zu Akten haben“. Für eine Reform brauche es Menschen, die das System sehr genau kennen würde. Laumann erinnerte an die „Erfolgsgeschichte“ der Krankenhausplanung.
„Eine Gesellschaft ohne Barmherzigkeit ist kalt“
Der Sozialstaat fuße darauf, dass die Menschen Rechte hätten und nicht von Gnade abhängig seien. Diese Rechtsansprüche seien demokratische Errungenschaften. Natürlich müsse der Sozialstaat ein aktivierender sein. Ziel sei, dass die Menschen in Arbeit kämen und nicht abhängig seien, etwa von den Lebensmitteltafeln. „Eine Gesellschaft ohne Barmherzigkeit ist kalt. Was nutzt mir ein Rechtsanspruch, wenn vor Ende des Monats von der Grundsicherung nichts mehr übrig ist?“ Laumann warnte davor, etwa die Grundsicherung zu kürzen und auf die Tafeln zu verweisen. „Dann werden Ehrenamtliche ausgenutzt.“
Bürgermeisterin Brigitta von Bülow sprach über die Haushaltsprobleme der Stadt Köln. „Alle müssen einen Beitrag zur Konsolidierung leisten. Auch die Kosten für die sozialen Pflichtaufgaben steigen.“ Aber Köln gebe immer noch ein Fünftel des städtischen Haushaltes von sechs Milliarden Euro für Soziales aus. „Daran hält der Stadtrat fest.“ Das soziale Köln sei immer ein Gemeinschaftswerk gewesen. „Und vielleicht ist der Advent ein schöner Zeitpunkt, um uns an Werte wie Verantwortung, Gerechtigkeit und Solidarität zu erinnern.“
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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