Herbstsynode 2015
„Wir stehen angesichts des großen Zustroms von Flüchtlingen nach Europa und nach Deutschland gegenwärtig und zukünftig vor einer enormen Herausforderung“, erklärte Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Evangelischen Kirchenkrei-ses Köln-Süd in seinem Jahresbericht. Einfache Lösungen, die enormen Aufgaben zu bewältigen, gebe es nicht, betonte Seiger. Es handele sich vielmehr um „komplexe politische, kommunikative, organisatorische, diakonische und finanzielle Aufgaben“.
Bis zur Klärung des Status der Flüchtlinge sei die Schaffung von Wohnraum und Betreuungsstrukturen vordingliche Aufgabe, gefolgt von der notwendigen Integration der Flüchtlinge. Die politische Debatte über Registrierungsverfahren, Bleiberegeln und die Verteilung von Flüchtlingen in der Europäischen Union zeige, wie vielschichtig die Fragestellungen seien.
Eindeutige biblische Position
70 von 82 Synodalen begrüßte Dr. Seiger, der die Synode leitete und auf die eindeutige biblische Position in Bezug auf die Situation der Flüchtlinge in Deutschland hinwies: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“ stehe in Matthäus 25, was nichts anderes bedeute, „als dass uns im Flüchtling, der Schutz sucht, das Antlitz Jesu entgegen tritt.“ Seiger appellierte: „Wir können dazu beitragen, dass Menschen auch den Fremden zuerst und vor allem als Kind Gottes wahrnehmen mit eigenem Namen, eigener Geschichte, eigener Leiderfahrung und dem Wunsch nach einem würdigen Leben.“ Das Wort Gottes gebe dazu eine klare Orientierung. Die Kirchen können angesichts der Sorgen vieler Menschen viel zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Die diakonische Aufgabe an den Flüchtlingen, die hier sind, liege auf der Hand. Hier geschehe viel Gutes in den Gemeinden und der organsierten Beratungs- und Hilfsarbeit der Diakonie.
„Wir lassen uns nicht einschüchtern!“
„Geht es noch etwas erbärmlicher, liebes Europa?“, fragte Oberkirchenrat Bernd Baucks, während seines Grußwortes aus der rheinischen Kirche. Er warnte vor einer „Wir-schaffen-das-nicht-Depression“, wenn „rechte Volksverhetzer das Land aufwiegeln, begleitet von Medienrummel“. Baucks: „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“ Es sei falsch, denen das Feld zu überlassen, die am lautesten brüllten, vielmehr sei Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft gegenüber Bedrängten gefragt. Wer fest im Glauben sei, könne im Islam keine Bedrohung sehen. „Ja, der Islam gehört auch zu Deutschland, aber das Christentum ist prägend für unser Land“, erläuterte er. Baucks verwies auf das Papier „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ , mit der die Evangelische Kirche im Rheinland zum Gespräch zwischen den Religionen anregen will.
Zum mehrfach angesprochenen Flüchtlingsthema schloss sich später eine intensive Diskussion der Synode an, die die Komplexität der Thematik widerspiegelte.
Sparverhalten in den Kirchengemeinden
Der Kirchenbeamte brachte Zahlen zur Finanzentwicklung mit: Die Landeskirche rechne 2015 mit einem Zuwachs von mehr als 15 Prozent Kirchensteuereinnahmen, trotz Schrumpfung der Mitgliederzahlen. Die Prognose für das Jahr 2016 gehe von einem Verteilbeitrag von 720 Millionen Euro aus. Man habe allerdings „einen Puffer eingebaut“, so dass der Haushaltsansatz bei 698 Millionen liege. „Wir wollen nicht durch eine politisch niedrige Schätzung das Sparverhalten in den Gemeinden provozieren“. Allerdings gebe es im landeskirchlichen Haushalt noch ein Defizit von drei Millionen Euro und es müsse mit „sinkender Mitgliederzahl“ gerechnet werden.
Bernhard Seiger: „Wir sind Kirche des Wortes“
Dr. Bernhard Seiger erinnerte daran, dass „wir als Kirche der Reformation eine Kirche des Wortes sind“. Seiger ist Beauftragter für das Reformationsjubiläum des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Christi Wort sei die Grundlage des Hörens, Denkens und Handelns als Christen. Es sei nicht beliebig, sondern wirke und sei voller Kraft. „Wir können andere Worte hören, ihm widersprechen oder – viel gefährlicher – es nicht als Wort für uns hören.“
Ein Jahr lang evangelische Traditionen vermitteln
Bekräftigt wurde Seigers Aussage durch einen einstimmig gefassten Beschluss der Synode, der sich auf einen Antrag der Gemeinde Rondorf gegen eine gemeinsame ökumenische Feier 2017 der Römisch-Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) anlässlich des katholischen „Festes der Kreuzerhöhung“ am 14. September 2017 ausspricht. Die Kirchenleitung der EKiR wird gebeten, sich bei der EKD dafür einzusetzen, „das Festjahr in evangelischer Tradition und ökumenischer Weite“ zu feiern. Das Kreuz als Gegenstand in den Mittelpunkt zu rücken, widerspreche aber der „Kirche des Wortes“. Seiger: „Es kann kaum richtig sein, in diesem Jahr ein Fest mitzufeiern, das nie zur evangelischen Tradition gehört hat.“ Der Beschluss besagt auch: „Wir halten das Jahr 2017 für eine ausgezeichnete Gelegenheit, orthodoxe und römisch-katholische Gemeindeglieder mit evangelischen Traditionen vertraut zu machen, die für sie möglicherweise fremd, aber auch bereichernd sein können.“
Profil zeigen durch die Kraft des Evangeliums
„Wir sind eine Volkskirche, die an vielen Stellen mit staatlichen Einrichtungen und dem Sozialsystem eng verbunden ist“, sagte Seiger in seinem Jahresbericht weiter. Das schaffe viele Möglichkeiten, stelle aber auch die Frage nach dem Profil. Er forderte die Synodalen dazu auf, den „Grund unseres Engagements“ erkennbar zu machen. Gemeindeglieder, Gäste, Schüler, Patienten und Flüchtlinge sollten spüren: „Hier haben wir es mit der Kraft des Evangeliums zu tun“.
Der Jahresbericht von Superintendent Dr. Bernhard Seiger kann im Wortlaut hier nachgelesen werden.
Erfahrungen einer Frau auf dem Weg ins Pfarramt
Profil zeigte auch Hannelore Häusler, erste Superintendentin der Evangelischen Kirche im Rheinland, die in ihrem Impulsvortrag zur Ausstellung „Pionierinnen – 40 Jahre Frauen im Pfarramt“ von ihrem anstrengenden Weg ins Pfarramt berichtete. Sie erzählte von ihrer Zeit als Theologie-Studentin in Hamburg Ende der 1950er Jahre, von ihrem Zorn über ein Buchgeschenk mit einer Widmung in „rein männlicher Sprache“ und von einer Zeit, in der Frauen in Kirche und Gemeinde „eine rein weiblich dienende Funktion“ hatten. „Meine Erfahrung auf dem Weg zum Pfarramt beginnt am 3. November 1961 mit dem ersten Examen. Ich hatte bestanden, aber ich war verheiratet“. Das bedeutete nach den Ordnungen der Landeskirche: kein Vikariat, kein Zugang zum Pfarramt.
„Heilige Geistkraft“ statt „Heiliger Geist“
Dank der großartigen Unterstützung ihres Superintendenten, der „das in Düsseldorf regeln wollte“, sei es ihr dennoch möglich geworden, ihre Ausbildung zu beenden und sich 1973 auf eine Pfarrstelle im Rheinland zu bewerben. Bis dahin hatte sie als Beauftragte für den Religionsunterricht gearbeitet. Dieser „Zugang zu den jungen Menschen“ sei aus heutiger Sicht ein Gewinn gewesen. Ebenso wie die Entwicklung der feministischen Theologie in den 70er Jahren. „Ein positiver Umbruch in unserer Kirche“, so Häusler. Begeistert war sie von der sprachlichen Neuschöpfung wie „die heilige Geistkraft“ anstelle von „Heiliger Geist“, nachzulesen in der „Bibel in gerechter Sprache“. Diese theologisch bedeutsamen Gedanken habe sie auch in die Ausbildung der Vikarinnen mit eingebracht.
Für ihren Vortrag erhielt die Pfarrerin, die von 1992 bis 2000 Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Süd war, lang anhaltenden Beifall. Seiger informierte darüber, dass die Wanderausstellung unter anderem auch einige „theologische Peinlichkeiten zeigt, warum Frauen nicht ins Pfarramt kommen durften“.
Errichtung und Satzung neuer Verwaltungsämter beschlossen
Die vier Kölner Kirchenkreise mit ihren Superintendenturen und Gemeindeämtern werden künftig in drei Verwaltungen mit jeweils gleicher Struktur zusammengeführt. Auf der Synode des Kirchenkreises Köln-Süd fassten die Synodalen den förmlichen Beschluss für die Errichtung und die Satzung der neuen Verwaltungsämter. Für die Kirchenkreise Köln-Süd und Köln-Mitte wird ab 2017 der Verwaltungsverband Köln-Süd/Mitte mit Sitz in Brühl zuständig sein. Derzeit wird dafür mit 24 Vollzeitstellen gerechnet, einer Zahl, die deutlich unter den Empfehlungen der Landeskirche liegt.
Überrascht wurde der Superintendent vom Dank der Synode, vermittelt durch Pfarrer Ralph-Rüdiger Penczek: „Es ist nicht selbstverständlich, dass Du mit so viel Engagement und zeitlichem Einsatz im Kirchenkreis, im Kirchenverband, in der Landeskirche wirkst – Deine Gemeinde nicht zu vergessen!“ Er sei dem Kirchenkreis in den vergangenen acht Jahren zur „Gabe“ geworden durch seinen wachen Geist und seinen Blick auf die Menschen.
Pfarrstellen bis 2020 festgelegt
Für die Jahre 2016 bis 2020 hat der Kirchenkreis Köln-Süd einen Pfarrstellenrahmenplan festgelegt: mit 25,25 Gemeindepfarrstellen und 3,43 Funktionspfarrstellen, die aus Kirchensteuermittel finanziert werden. „Wir sind ganz entspannt unterwegs“, freut sich Superintendent Seiger. In früheren Jahren und Jahrzehnten sei man im Kirchenkreis bei der Errichtung von Pfarrstellen vorsichtig gewesen, deshalb müsse man sie auch jetzt nicht reduzieren. Erst nach dem Jahr 2025 müsse man sich wieder Sorgen machen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen werden. „Wenn aber in den nächsten Jahren Pfarrstellen zu besetzen sind, können wir das in unserer attraktiven Region Köln-Bonn voraussichtlich ohne Probleme tun“, so Seiger.
Verwendung des Haushaltsüberschusses
Die Jahresrechnung für den Haushalt 2014 schloss mit einer Bilanzsumme von 2.391.793,43 Euro und einem Jahresüberschuss in Höhe von 138.554,48 Euro. Dies teilte Finanzkirchmeister Lothar Ebert mit. Der Überschuss wird unter anderem verwendet für die Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform (80.000 Euro), zur Rücklage für energiesparende Maßnahmen (36.500 Euro) und zur Unterstützung von partnerschaftlichen Projekten und Projekten zur Arbeit mit Flüchtlingskindern, etwa im Medientreff für Mädchen „girlspace“, das mit 3.500 Euro unterstützt wird. Für das Jahr 2016 beschlossen die Synodalen einen Haushalt mit Erträgen und Aufwendungen in Höhe von 1.411.453 Euro. Die Synodalen dankten Ebert ausdrücklich für seinen sachkundigen Vortrag und für die damit verbundene intensive Vorarbeit.
Diakonie als Wesenszug im gelebten Glauben
„Ich freue mich immer, die Gemeindeberichte zu lesen“, erklärte die Skriba (Schriftführerin), Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul. Sie dankte allen für die pünktliche Abgabe der ausführlichen Berichte und betonte, es gebe in dieser Synode „eine gute Berichtskultur“. Außer einer Gemeinde hätten alle das Schwerpunktthema Diakonie aufgegriffen. „Alle haben zum Ausdruck gebracht, dass Diakonie ein Wesenszug im gelebten Glauben einer Gemeinde ist“, so Koch-Torjuul. Das diakonische Denken und Handeln „treibe die Gemeinden sehr um“, viele überlegten außerdem, was künftig noch getan werden müsse. An die Vertreter der Gemeinden und an die Synodalbeauftragten appellierte sie: „Trauen Sie sich ruhig, auch mal etwas wegzulassen. Wir müssen nicht alles belegen und alles dokumentieren. So wird man ein Stück leichter und freier.“ Bei der anstehenden Wahl im Frühjahr 2016 wird Koch-Torjuul nicht mehr für den Kreissynodalvorstand kandidieren.
Termine im Kirchenkreis Köln-Süd:
Unter dem Motto „Rote Karte gegen Gewalt an Frauen und Kindern“ wird ein ökumenischer Gottesdienst zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am Samstag, 21. November, 12 Uhr, in der Giesler-Galerie Brühl, Uhlstraße, gefeiert. Mitveranstalter ist die Evangelische Frauenarbeit im Kirchenkreis Köln-Süd.
„Ganz schön mutig“, so der Titel des Frauentages im Kirchenkreis Köln-Süd am Samstag, 27. Februar 2016. Von 9.30 Uhr bis 17 Uhr werden im Berufsförderungswerk Michaelshoven, Sürther Straße 171, acht Workshops angeboten. Das Thema wird musikalisch, spielerisch-kreativ, psychologisch und theologisch erschlossen. Die Teilnahme kostet 10 Euro und enthält Mittagessen, Kaffee und Kinderbetreuung. Kontakt: Kirchenkreis Köln-Süd, Telefon 02232/92 84 60-0, www.kkk-sued.de
Die Synode des Kirchenkreises Köln-Süd tagt im nächsten Jahr am Samstag, 11. Juni 2016, und am Samstag, 5. November 2016, im Berufsförderungswerk der Diakonie Michaelshoven, Sürther Straße 171.
Personalia:
Nach knapp drei Jahrzehnten des Dienstes für den Kirchenkreis ist der Verwaltungsleiter der Superintendentur des Kirchenkreises Köln-Süd, Dietrich Schmidt, aus Gesundheitsgründen zum 1. November 2015 in den Ruhestand getreten. „Wir wünschen ihm für seine Gesundheit im Namen der Synode alles Gute und bedanken uns für seinen treuen Dienst durch einen kräftigen Applaus“, sagte Superintendent Dr. Bernhard Seiger.
Pfarrer Wilhelm Buhren aus der Evangelischen Kirchengemeinde Brühl geht zum 1. Dezember 2015 nach 35 Dienstjahren in Brühl in den Ruhestand. Er wird am ersten Advent, Sonntag, 29. November, 15 Uhr, verabschiedet.
Stichwort: Kirchenkreis Köln-Süd
Der Kirchenkreis Köln-Süd umfasst insgesamt 16 Gemeinden: Brüg-gen/Erft, Brühl, Frechen, Horrem, Hürth, Kerpen, Köln-Bayenthal, Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal, Köln-Rodenkirchen, Köln-Zollstock, Lechenich, Liblar, Rondorf, Sindorf, Sürth-Weiß und Wesseling. Hier leben etwa 68.000 Gemeindeglieder.
Text: Angelika Knapic
Foto(s): Angelika Knapic