„Geborgen – Gestimmt – Genährt“: 30. Frauentag des Kirchenkreises Köln-Süd im Berufsförderungswerk Köln der Diakonie Michaelshoven
„Sehr beschwingt“ ist Franziska Boury nach Hause gefahren. Und dem Gefühl der Hürther Pfarrerin nach haben auch die weiteren insgesamt rund hundert Teilnehmerinnen und Referentinnen des 30. Frauentages des Kirchenkreises Köln-Süd „fröhlich und gestärkt“ die Heimreise angetreten. Boury ist Beauftragte des Kirchenkreises für die jährliche Veranstaltung. Das Team der Organisierenden und Referentinnen hatte auch diesmal die inhaltlichen Voraussetzungen für eine gelingende vielgestaltige Auszeit vom Alltag und gleichzeitig Stärkung für den Alltag geschaffen. Die optimalen räumlichen Bedingungen dafür bot wiederum das Berufsförderungswerk Köln der Diakonie Michaelshoven im südlichen Kölner Stadtteil Rodenkirchen.
Miteinander ins Gespräch kommen, Bekanntschaften auffrischen oder sich neu kennenlernen stehen wesentlich für diesen Frauentag. Ebenso charakterisieren ihn das gemeinschaftliche Gebet und offene Singen sowie ganz unterschiedliche Workshops. In deren Verschiedenheit „haben sich alle wohlgefühlt“, schildert Boury in ihrem Fazit.

„Geborgen – Gestimmt – Genährt“ lautete das diesjährige Tagesmotto: „Was schenkt Geborgenheit im Leben, wie sich auf herausfordernde Situationen einstimmen, woraus Kraft ziehen?“ Angesichts dieser Fragestellungen freute sich Boury, wieder eine „richtig schöne muntere Truppe“ begrüßen zu dürfen. „Unser Leben ist ja sehr oft textlastig“, stellte Kirchenmusikerin Veronika Metzger aus Hürth fest. Deswegen wolle man versuchen, die Anwesenden auf verschiedenen Wegen zu erreichen. „Es macht echt Spaß, hier vorne zu stehen und in strahlende Gesichter zu schauen. Ich glaube, das ist das schönste Publikum, was Köln heute hat“, schuf sie ein Wir- und Wohlgefühl.
Freude auf die Gemeinschaft, auf Aktion und Ruhe
„Voller Neugierde freuen wir uns auf bekannte und neue Gesichter“, wandte Boury sich zu Beginn der einleitenden Andacht an Gott. „Voller Neugierde, wie wir vielleicht auch uns selbst begegnen können, freuen wir uns auf diesen Tag, hoffen auf gute Gedanken, vielleicht sogar auf einen Moment Trost, auf einen Moment Kraft, auf neue Ideen für das Leben.“ Man freue sich auf die Gemeinschaft, auf Aktion und Ruhe. Zugleich „schaute“ die Gemeinschaft vom Kölner Süden in die City. Dort fand fast zeitgleich eine Demonstration gegen Rechts statt – „mit vielleicht weniger Ruhe, mit Trompeten und Posaunen“, sollte Bourys Vermutung zutreffen. „Lass uns verbunden bleiben mit unserem eigenen Leben, mit dem Wissen, wo andere Menschen sich für diese Welt einsetzen, dass wir über diese Verbindung miteinander in dieser Welt wirken“, sprach die Pfarrerin.
„Genährt“: Besinnung über Nahrung
In die Andacht unerwartet wie bereichernd integriert waren bewegte und bewegende Bilder auf der Bühne sowie eine Meditation über Nahrung und deren Wertschätzung. Metzger verteilte zunächst Cranberries mit der Bitte, „sie nicht sofort zu essen, sonst funktioniert´s nicht“. Was folgte war Schritt für Schritt ein im Wortsinn Herantasten, -riechen, -hören und -schmecken an die kleine Beere: Die Wahrnehmung der Großfrüchtigen Moosbeere mit schließlich allen Sinnen. Mit ruhiger Stimme leitete die Musikpädagogin besinnlich-fragend ihre Zuhörerinnen an. „Stell dir vor, du würdest diese Frucht zum allerersten Mal sehen. Welchen Eindruck macht sie auf dich? Wie liegt sie auf deiner Handfläche? Was würde ein Alien sagen von einem anderen Stern, der sie zum ersten Mal sehen würde?“ Metzgers Hinweise steigerten die Konzentration immer weiter. „Gefordert“ waren die Meditierenden selbst beim Beißen auf die Frucht. „Eine Geschmacksexplosion nimmst du wahr, wie fühlt sich das Fruchtfleisch an, konzentriere dich auf die Kaubewegungen. Irgendwann schluckst du die Beere runter und spürst noch den Geschmack.“ Die bewusste Auseinandersetzung mit diesem winzigen Nahrungselement überführte Metzger schließlich in einen größeren Zusammenhang: „Was hat es gebracht, wie ist diese kleine Frucht zum Frauentag gekommen?“, regte sie zum Weiterdenken an. „Was hat sich auf diesem Weg ereignet, damit diese kleine Frucht in diesem Augenblick dich genährt hat?“
Bibel und Gegenwart – Getanzte Bilder zu Eva bis Dorothee Sölle
Raumgreifend und sehr konzentriert gestaltete sich der Auftritt des Arbeitskreises Biblischer Tanz in Bonn. Unter Leitung der Tanz- und Religionspädagogin Marlene Preuß habe sich die Gruppe über ein Jahr auf die Spuren, die Anmut und Kraft von biblischen Frauengestalten begeben und sich ebenso mit zeitgenössischen Frauen und Themen auseinandergesetzt, informierte zuvor Boury. Die bildreiche Darbietung durfte als „optische Predigt“ verstanden werden. Unverzichtbar verwoben mit den tänzerischen Parts waren jeweils hinführende Texte beispielsweise über Ruth, Maria Magdalena, Eva und Dorothee Sölle. Sie stammen von Susanne Müller. Ihre gleichzeitig auf unsere Gegenwart gemünzten dichten wie klaren Beiträge trug sie selber vor. Was die Autorin eindrücklich in Worte kleidete, wurde anschließend bildkräftig in einstudierten wie improvisierten Szenen interpretiert: Ruth, die dem Tod ins Auge geschaut hat, die in der Fremde wieder die Angst packt, die zitternd, mit zugeschnürter Kehle ruhelos umhergeht und um Unterstützung bitte. „Schutz und Zuflucht ist ihr Recht – ein Menschenrecht“, stellte Müller fest.
Selig sind die Friedenstifter
Dorothee Sölle habe nach dem Weg aus der Spirale der Gewalt gesucht, so Müller. Im ermutigenden Gebet „Der dritte Weg“ stellt die Theologin fest, dass Jesus mehr als die Möglichkeiten, „sich ducken oder zurückschlagen, sich kleinkriegen lassen oder ganz groß herauskommen, getreten werden oder treten“, kenne: „Jesus, du bis einen anderen Weg gegangen (…) Lass uns die neuen Wege suchen“. Eindrücklich gestaltete sich die tänzerische Umsetzung parallel zum gesprochenen Gebet. Nicht minder die künstlerische Auslegung des großen Themas „Mutter Erde“. Um zu Überleben rängen die Menschen schon immer mit den Elementen. „Um es uns gut gehen zu lassen, nehmen wir die Erderwärmung und ihre Folgen wahr, aber in Kauf. Gut leben werden wir auf dieser Erde, wenn wir sie gemeinsam bebauen, bewahren und ihre Rechte achten“, gaben Müller und die Darstellerinnen zu bedenken.
Neun Workshops
Unter den neun Workshops, von denen jede Teilnehmerin zwei besuchte, fanden sich auch solche, die sich in Fortsetzung der Andacht mit starken Frauen beschäftigten. So bot Preuß an, Stationen des Lebensweges von Ruth und Naomi (Buch Ruth) über tänzerische Bewegungsimprovisationen zu erfahren. Boury und Pfarrerin Simone Semmelmann-Werner nahmen mit Teilnehmerinnen in ihrer Bibelarbeit mit kreativen Elementen Maria und Martha in den Blick. Und sie gingen etwa der Frage nach, was angesichts der Geschichte beider Frauen, die ihre Kraft aus unterschiedlichen Ressourcen geschöpft hätten, „uns hilft und unsere Resilienz-Ressourcen stärkt“.

Im kreativen Musikworkshop „Zwischen bergen und geborgen sein“ der Kirchenmusikerin Barbara Bannasch entdeckten und genossen Frauen mit einer Vielzahl von Instrumenten und der eigenen Stimme Klänge. Angeleitet von der Religionspädagogin Magdalena Otto spürten sie unter Einbeziehung der Bilder von Psalmen auf kreative Weise der Sehnsucht nach Geborgenheit nach. Pfarrerin Andrea Döhrer lud zur Beschäftigung mit dem Leben und Werk der Künstlerin Käthe Kollwitz ein. Zu entdecken galt auch die Aktualität in deren Aufzeichnungen. „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“, vertraute sie 1922 ihrem Tagebuch an.
Workshop „Kirchen als Herbergen, heilige Räume und Zufluchtsorte“
„Kirchen als Herbergen, heilige Räume und Zufluchtsorte“ war Almuth Koch-Torjuuls Angebot überschrieben. Die Teilnehmerinnen arbeiteten auf verschiedenen, auch kreativen Wegen heraus, „was für sie selbst eine Kirche zu einem Ort der Geborgenheit macht“, so die Pfarrerin in Frechen und Kerpen. Es habe sich herausgestellt, „dass die eigenen Erlebnisse im Kirchraum wichtiger waren, als konkrete architektonische Merkmale“. Und das, obwohl Licht, Akustik und Atmosphäre durchaus als prägend wahrgenommen worden seien, so Koch-Torjuul. Eine der Teilnehmerinnen habe ihre Erfahrungen so in Worte gefasst: „Eine Kirche kann mich ohne Worte segnen.“
„Als wir Ausschnitte der auf den 24. Evangelischen Kirchbautag 2002 reagierenden Leipziger Erklärung ´Nehmt eure Kirchen wahr!´ lasen, wurde uns die seit damals veränderte Lage bewusst.“ Der Kirchbautag habe 2003 Kirchenräume weiter öffnen wollen. „Heute sollen Kirchen in großer Zahl geschlossen, entwidmet, umgenutzt werden“, so Koch-Torjuul. Teilnehmerinnen hätten von ihrer engen biografischen Verbindung zu konkreten kirchlichen Gebäuden erzählt: „Einige drückten die große Sorge aus, als Menschen vor Ort bei Entscheidungen über die Auswahl von möglicherweise zu schließenden Gebäude übergangen zu werden.“
Gespannt darauf, wie es weitergeht …
Zum 1. Januar 2026 fusionieren die drei linksrheinischen Kirchenkreise Köln-Mitte, Köln-Nord und Köln-Süd zu einem gemeinsamen Kirchenkreis. Dieser wird den Namen Kirchenkreis Köln-Linksrheinisch tragen. Bury ist gespannt, wie es weitergeht mit dem Frauentag. Im Frühjahr soll ein Treffen mit ihr und den Beauftragten für Frauenarbeit und Gendergerechtigkeit in den Kirchenkreisen Köln-Mitte und -Nord stattfinden. Angesichts der regelmäßig hohen Teilnehmerinnenzahl in Köln-Süd kann sie sich gut vorstellen, das bestehende Format auch im nächsten Jahr in Michaelshoven durchzuführen. „Auf unserem Treffen werden wir schauen, was sinnvoll ist und wie wir uns in der Zukunft aufstellen.“
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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