Andacht aus der JVA Ossendorf: Gefangene singen über „ihre Zelle“

„Für mich ist meine Zelle ziemlich klein, aber was für eine Welt muss meine Zelle für einen Silberfisch sein“, singt ein Gefangener aus der JVA Ossendorf und schlägt die Saiten seiner Gitarre an. „Ich denk‘ so klein zu sein, wäre doch ein Segen. Vielleicht werd‘ ich irgendwann ein Silberfisch in einem nächsten Leben.“ – Groovige Klavier- und Cajon-Klänge begleiten ihn. Mit dem kreativen Lied gibt er einen Einblick in seinen Alltag. Und auch andere Gefangene aus der JVA Ossendorf machen bei der Andacht am Montagmorgen mit. Gefängnisseelsorgerin Pfarrerin Eva Schaaf aus Köln hat sie gemeinsam mit Gefangenen aus der JVA Ossendorf gestaltet, denn das Thema Seelsorge steht im Mittelpunkt der 75. Tagung der rheinischen Landessynode. Die 199 stimmberechtigten Abgeordneten aus den 37 Kirchenkreisen in der Evangelischen Kirche im Rheinland haben wieder digital getagt.

„Nein, das hier ist kein Hotel, sondern ein Ort, an dem sich Menschen elementaren Fragen stellen, verzweifeln, die Einsamkeit nicht aushalten, weinen, beten, schreien, lachen, Angst haben, durchdrehen, Hoffnung schöpfen, Zuwendung empfangen und verschenken“, sagte Pfarrerin Schaaf in ihrer Ansprache aus der Gefängniskirche. „Vieles greifen wir Seelsorger:innen in vertraulichen Gesprächen und auch den Gottesdiensten auf.“ Die Themen der Gefangenen werden spirituell und christlich eingeordnet aufgegriffen – für viele eine ganz neue Erfahrung.

Ein Besuch pro Monat

Die ohnehin geringenen Kontaktmöglichkeiten seien durch die Pandemie stark eingeschränkt, berichtete Pfarrerin Schaaf. Ein Besuch pro Monat und abgesehen von einer Stunde Hofgang sitzen viele Gefangenen 23 Stunden in ihrer Zelle: auf 8 Quadratmetern, davon einige Stunden mit anderen Gefangenen, die sie in ihre Zelle einladen dürfen. „Leider nehmen wir bundesweit die Zunahme von psychisch kranken Gefangenen wahr, die weitgehend von Kommunikationmöglichkeiten abgeschnitten sind“, berichtete Pfarrerin Schaaf.

Viele verzweifelten an Abhängigkeiten, die ihr Leben bestimmen, drinnen wie draußen, erklärte Schaaf. Sie zitierte aus dem Gedicht des Gefangenen Sören mit dem Titel „Ein Brief“: „Ich warte nur darauf, dass du hier rauskommst. Ich finde dich. Ich mache dir das Leben zur Hölle. Mal sehen, wie es dir dann geht. Ich nehme dir alles, was geliebt ist. Ich kenne keine Gnade. Du kennst mich nicht. Du willst es aber immer noch nicht wahrhaben. Ich bin es, deine Sucht.“ Über die Hälfte der Inhaftierten sei suchtkrank.

Der Blick hinter diese Mauern, der schärfe auch den Blick nach draußen. Pfarrerin Schaaf fasste zusammen: „Sucht ist unser aller Problem – Sucht durchzieht das System, in dem wir leben.“ Sucht nach Profit, Energie, sich selbst zu erhöhen, nach Macht – sie sie versklavend. Sie fragte: „Wie der Sucht entkommen? Sören hat sich seiner Angst gestellt. Wie sieht es bei uns selbst aus?“

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Text: Frauke Komander/APK
Foto(s): APK

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