„Alles hät sing Zick“ – Karnevalsandacht im Dom

Biblische Bezüge hat das Motto dieser Karnevals-Session: „Alles hat seine Stunde“, heißt es im Buch Kohelet im Alten Testament. Das amtierende Dreigestirn Prinz Sven I. (Oleff), Jungfrau Gardemie (Dr. Björn Braun) und Bauer Gereon (Gereon Glasemacher) waren zur Karnevals-Andacht in den Dom gekommen. Und angesichts des Schicksals, das die Drei derzeit mit tapferer Heiterkeit meistern, wäre auch ein Bezug zu Hiob nicht völlig verfehlt gewesen. Die Tollitäten gehen in ihre zweite Amtszeit. Und wieder fallen alle Sitzungen und der Höhepunkt, der Rosenmontagszug, aus. Am Abend vor der Andacht im Dom hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Dreigestirn im Gürzenich proklamiert. Ohne Publikum vor Fernsehkameras.

Immerhin: Farbenprächtige Bilder lieferte die Andacht mit Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und Stadtdechant Robert Kleine. Zahlreiche Karnevalsgesellschaften hatten Vertreterinnen und Vertreter in Uniformen geschickt, die ihre „Plaggen“ in die Höhe reckten. „Alles hät sing Zick: Unser Motto für diese außergewöhnliche Session. Der Charakter der Zeiten ändert sich. Unbeschwert fühlt sich anders an. Wir suchen den längeren Bogen, den längeren Atem und haben die Hoffnung auf eine bessere Zeit. Diese Hoffnung trägt und verbindet uns!“, eröffnete der Stadtsuperintendent seine Ansprache und zitierte anschließend aus dem Buch Kohelet nach evangelischer Lesart: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit. Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit. Klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit. Alleinsein hat seine Zeit, Gemeinschaft hat seine Zeit. Abstand halten und feiern hat seine Zeit. Warten hat seine Zeit, und wieder loslegen hat seine Zeit.“

Geschenk der Gemeinschaft und der Nähe

Seiger verwies darauf, dass das Dreigestirn trotz Corona Freude verbreiten werde. Über 40 Termine stehen an. Meist vor Senioreneinrichtungen und bei anderen sozialen Projekten. Prinz, Bauer und Jungfrau werden dann auf einem umgebauten Lastwagen zu sehen und zu bejubeln sein. „Wenn es gut geht, dann wird die Freude über all das, was Fastelovend ausmacht, in den nächsten Jahren ausmacht, groß sein, größer vielleicht als zuvor. Weil wir es wieder neu zu schätzen wissen. Weil wir spüren, wie wertvoll das Geschenk der Gemeinschaft und der Nähe ist. Wir werden auf neue Weise singen, tanzen und schunkeln, weil wir erlebt haben und wissen: Nichts ist selbstverständlich!“, fuhr der Stadtsuperintendent fort.

Fünf Ideen zählte Seiger auf, die gegen die grassierende Traurigkeit unter den Jecken ins Feld geführt werden können. Singen, Gemeinschaft, sich bewegen, sich nicht so ernst nehmen und ein weites Herz, das im Karneval schon immer eine große Rolle gespielt hat: „Unser Dreigestirn geht in Krankenhäuser und Hospize und verbreitet Freude! Was für ein Schatz! Was wärmt es einen, wenn man merkt, in einem Gesicht ist ein neuer Glanz“. Und darüber hinaus könne man anderen eine Freude machen etwa mit einem Anruf, einem handgeschriebenen Brief oder mit Karnevalsgebäck vor der Wohnungstür. „Ich wünsche Euch eine gesegnete Zeit, wache Augen für den Nächsten und viel Freude am Leben und am Karneval“, gab der Stadtsuperintendent dem Dreigestirn und auch dem Kinderdreigestirn mit auf den Weg.

„In dieser Session können wir jedes Licht gebrauchen“

Auch die jungen Tollitäten Prinz Felix I., Jungfrau Helena und Bauer Robin waren zur Andacht gekommen. Sie hatten eine Kerze verziert, die Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn zu Beginn der Andacht entzündete. „In dieser Session können wir jedes Licht gebrauchen“, kommentierte Kuckelkorn. Die Predigt der Andacht hielt Stadtdechant Robert Kleine. „Wir leben in einer Zeit, in der die Seele kaum nachzukommen weiß“, hob er an. „Die Pandemie und die mit ihr einhergehenden Einschränkungen begleiten uns weiter.“ Viele treibe die Angst um, die Sorge um die berufliche Existenz, die eigene Gesundheit und die der Lieben.

Ob man sich freuen könne? „Natürlich“, erklärte der Stadtdechant: „Lassen wir uns die Freude und die Hoffnung auf einen unbeschwerten Karneval nicht nehmen. Schon gar nicht von einem Virus!“ Er empfahl den Andachtsbesuchern und -besucherinnen, zur Ruhe zu kommen. Auch Jesus Christus habe für seine Jünger immer Zeiten und Räume gefunden, damit sie zur Ruhe kamen. Und damit sei nicht die Ruhe des Lockdowns gemeint. Es gehe, so Kleine, um ein Aufatmen und die damit verbundene Gelassenheit und Zuversicht. Und es gehe um Kleinigkeiten wie eine aufbrechende Knospe oder eine Ameise, die sich mit einem langen Zweig abmühe. Oder um ein Wort, das in einem etwas zum Klingen bringe. „Wir sollten ruhig werden und darauf warten, dass die Dinge zu uns sprechen.“

„Lebensmut, Zuversicht und Achtsamkeit“

Das Dreigestirn stehe trotz aller Widrigkeiten für drei Dinge: „Lebensmut, Zuversicht und Achtsamkeit.“ Die jungen und alten Tollitäten sowie Kleine und Seiger begründeten zum Schluss der Andacht eine neue Tradition: Sie beteten gemeinsam am Dreikönigsschrein, unter dem die Prinzen, Bauern und Jungfrauen anschließend hindurchschritten. Schließlich verabschiedeten der Stadtsuperintendent und der Stadtdechant die Dreigestirne zum Auszug mit herzlichem Applaus.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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