Widerspruch zur Ausbeutung: Kirchengemeinden beziehen fair gehandeltes Obst aus Kalabrien

Aktuell versüßen wieder Orangen und Mandarinen den Menschen die dunklen Herbst- und Wintermonate. Wer die vitaminreichen Früchte kauft, kann aber auch anderen etwas Gutes tun – wenn er oder sie das an der richtigen Stelle tut: Seit zwei Jahren bestellt die ökumenische Umweltgruppe „Laudatosi“, bestehend aus Menschen der katholischen Kirchengemeinde St. Franziskus und der evangelischen Kirchengemeinde Ichthys in Widdersdorf, regelmäßig bei einer Kooperative aus Kleinbauern und -bäuerinnen im italienischen Rosarno verschiedene Früchte. Dabei handelt es sich um Orangen, Mandarinen, Zitronen, Kiwis und Avocados, die ökologisch und vor allem unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurden. Zahlreiche weitere Gemeinden in Köln und der Region haben sich angeschlossen: die evangelische Kirchengemeinde in Köln-Klettenberg, die evangelische Hoffnungsgemeinde Velbert und Tönisheide, der ökumenische Arbeitskreis „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ in Hilden, die evangelische Kirchengemeinde Büchenbeuren-Laufersweiler-Gösenroth und das Landeskirchenamt in Düsseldorf. Aber auch die Solidarische Landwirtschaft Widdersdorf (SoLaWi-Gemüsekoop) gehört zu den Bestellern – ebenso der genossenschaftlich organisierte Supermarkt Köllektiv in der Südstadt.

„Für 2,80 Euro pro Kilo zahlt die Gemeinde nicht nur für Orangen – sondern für Würde“

In diesem Jahr hat die Presbyterin der Evangelischen Gemeinde Widdersdorf, Gisela Theis, erstmals sogar zwei Sammelbestellungen aufgegeben, eine im Frühjahr und nun eine im Herbst. Knapp 1,7 Tonnen Früchte werden bald wieder zur Scheune der Solawi geliefert, sortiert und dann dort von den Gemeinden und Initiativen abgeholt. Sie kommen direkt von der Kooperative „SOS Rosarno“ in Kalabrien, die mittlerweile als Genossenschaft den Namen „Mani et Terra“ („Hände und Erde“) trägt und der Ausbeutung von Arbeitern vor Ort etwas entgegensetzen will. Theis schildert die Hintergründe: Die Supermarktketten würden den heimischen Kleinbauern und -bäuerinnen einen so geringen Preis für ihre Ernte zahlen, dass sie damit kaum die Ausgaben für ihre Produktion decken könnten. Gleichzeitig würden an der Stiefelspitze Italiens sehr viele aus afrikanischen Ländern geflüchtete Menschen stranden, dort dann auf den Obstplantagen für Hungerlöhne arbeiten und notdürftig unter Planen am Stadtrand kampieren.

„SOS Rosarno schafft Arbeitsplätze mit Tarifvertrag, Mindestlohn und Versicherung“

Die Initiative SOS Rosarno verkauft das Obst statt an die Ketten direkt an Verbraucherverbünde zu einem fairen Preis und ermöglicht so ebenso faire Arbeitsbedingungen: „Die Arbeiter und Arbeiterinnen erhalten einen Tarifvertrag, den Mindestlohn und sind sozialversichert“, schildert Theis. Pro Kilo Orangen beispielsweise zahlt die Gemeinde 2,80 Euro plus Mehrwertsteuer und verkauft sie für 3,50 Euro. Der Differenzbetrag geht auf ein Spendenkonto für „Mediterranean Hope“ bei der Evangelischen Kirche von Westfalen mit dem Stichwort „Rosarno“.

„Mit jeder Frucht auch Hoffnung: Gemeinden unterstützen ‚Mediterranean Hope‘“

„Mediterranean Hope“ gehört zum Geflüchtetenprogramm des Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien und finanziert verschiedene Projekte in Rosarno – zum Beispiel das „Haus der Würde“, ein Wohnheim, wo Wanderarbeiter in Zwei-Betten-Appartements mit Küchenzeile und Bad leben können. Es ermöglicht Traumatherapien und stattet die Fahrräder der Erntehelfer mit Lampen aus. Sie müssen meist im Dunkeln auf unbeleuchteten Straßen lange Wege zu den Obstplantagen zurücklegen und werden oft Opfer von Unfällen.

Zu der Einkaufshilfsaktion wurde Theis bei der Rheinischen Friedenskonferenz in Bonn inspiriert. Dort kam sie über den Verein zur „Förderung des fairen Handel(n)s am Niederrhein, Fair/rhein“ in Kontakt mit der stellvertretenden Leiterin des Oikos-Instituts für Mission und Ökumene bei der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), Katja Breyer. Eine italienische Partnerkirche hatte an Breyer vor einiger Zeit die Bitte herangetragen, in Kalabrien fair produzierte Früchte zu kaufen. So hatte die EKvW die Orangen-Verkaufsaktion „Süß statt bitter“ gestartet. Theis folgte ihrem Beispiel mit der Einkaufsaktion in Köln und Umgebung. Auf diese Weise möchten nun viele Gemeinden gemeinsam mit dem Kauf der leuchtenden Früchte in zweierlei Hinsicht Licht ins Herbstdunkel bringen.

Text: Susanne Esch
Foto(s): Marcus Zahn/ Canva

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